Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
11.10.2017


Revision 3.0

Flugunfälle


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Autor: Gerd Ritter  
05.11.2016

Im Laufe der Geschichte der INTERFLUG gab es auch eine Reihe, von zumeist technisch bedingten Flugunfällen. Alle Flugzeuge in der Welt haben ihre konstruktiven Besonderheiten und ihre Unzulänglichkeiten, einige weniger, andere mehr.

Die Flugzeuge russischer Bauart hatten ihre Probleme jedoch im Besonderen. Das hatte verschiedene Gründe. Sowohl technologische Defizite, wie auch Materialprobleme und fehlende Fertigungsgenauigkeiten führten fast immer zu Überdimensionierungen, um die Sicherheit zu garantieren. Die Innovationszyklen waren deutlich länger als in den westlichen Industrienationen.

Die erste TU-204, die der B-757 sehr nachempfunden ausschaut, flog erst 7 Jahre später das erste Mal, um von der Indienststellung bei den Airlines gar nicht erst zu reden. Erstmals hatte Tupolev damit seine wenig beliebte und unzweckmäßige negative V-Form der Tragflächen aufgegeben. Auch Winglets waren erstmalig dann 1989 zu sehen.

Auf diesen Seiten soll versucht werden, die durch INTERFLUG verursachten Flugunfälle näher zu betrachten, die Gründe aufzuzeigen, wie es zu den Unfällen gekommen ist, ohne jedoch eine vollständige Untersuchung abzubilden. Die Untersuchungsberichte liegen in den Archiven.

Die Bewertungen zu den Unfällen wurden durch die einberufenen Kommissionen der Flugunfalluntersuchung vorgenommen. Alle hier gemachten Angaben und Bemerkungen basieren teilweise auf den offiziellen Untersuchungsberichten, aber auch auf Aussagen von Kollegen.

DDR-SCM

07.12.1963 IL-14
DM-SBL
bei Schwepnitz
- Königsbrück -
Bauchlandung nach Ausfall aller Generatoren keine
01.03.1967 IL-18W
DM-STF
Moskau
- Aeroflott Wartungsbetrieb -
Bei Überholungsarbeiten im Werftbetrieb
Zerstörung durch Brand
keine
14.08.1972 IL-62
DM-SEA
Königswusterhausen
- Bahnhofsnähe -
Brand des Heckteils, Auflösung des Festigkeitsverbandes 156
30.10.1972 TU-134
DM-SCA
Berlin-Schönefeld
- RWY 25L -
harte Landung bei schlechten Wetter
zeitweiliges Verlassen der RWY 25L
keine
01.09.1975 TU-134N
DM-SCD
Leipzig Unterschreitung der MDH bei schlechten Wetter,
Kollision mit der Antenne des LM
27
22.11.1977 TU-134A
DM-SCM
Berlin-Schönefeld
- RWY 25L -
harte Landung mit Überschlag,
keine Möglichkeit den AP abzuschalten
keine
26.03.1979 IL-18 Cargo
DM-STL
Luanda Triebwersausfall beim Start;
über MTOW und hohe Außentemperatur
10
17.06.1989 IL-62
DDR-SEW
Berlin-Schönefeld
- RWY 25L -
Überrollen der Startbahn nach Startabbruch,
Fehlhandlung des BI
21

TU-134(A)

Die TU-134(A) war ein ziemlicher konstruktiver Missgriff mit vielen faulen Kompromissen.
Dennoch muss man genau dieses Flugzeug als das Rückgrat der INTERFLUG ansehen, wenngleich es in der Öffentlichkeit selten zu diesen Ehren gekommen ist. Die TU-134(A) führte die meisten Flüge durch. Sie war über viele Jahre klar das Arbeitspferd der INTERFLUG. Die meisten Flüge der TU-134(A) waren wenig spektakulär. Die wenigen Ausnahmen bezogen sich auf seltene teure Sonder- oder Solidaritätsflüge, welche oft mit hohen Auszeichnungen für die Besatzungen bedacht wurden.
Eine Ausnahme bildeten hier vielleicht die zwei TU-134A der Fluggruppe 10 (Stasi) und die der Regierungsstaffel (TG-44), die, wenn auch in INTERFLUG-Farben, jedoch meist geheim oder sehr vertraulich behandelt wurden und in der Öffentlichkeit auch nicht als INTERFLUG-Flüge propagiert wurden oder konnten. Mit dem INTERFLUG Livré als Deckmantel ging es vor allem um eine Irreführung des Auslandes und um gesicherte Überflugsrechte.

Die INTERFLUG war von Anfang an bemüht, aus der TU-134(A) das beste zu machen. Viele der so genannten "Germanisierungen" der TU-134A hatten nur einen Sinn, das Flugsicherheits-Niveau mit diesem nicht einfach zu operierenden Flugzeug, auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Schwierig blieb diese Gratwanderung bis zum Schluss.
So hatte die TU-134(A)-Flotte (nannte sich bei IF die TU-Staffel) auch jedes Jahr die meisten Incidents (Flugvorkommnisse) zu verzeichnen.
Das begann damit, dass man mit einem Type Rating TU-134 drei teils ziemlich unterschiedliche Varianten - vor allem in den früheren Jahren - bedienen und fliegen musste. INTERFLUG arbeitete ständig daran, das zu verbessern, nämlich die ursprüngliche Normalvariante (N), die gemischte AN-Variante und die neuere A-Variante im Cockpit einander anzugleichen.
Insbesondere das sehr verschiedene Cockpit-Layout forderte immer wieder seinen Tribut in Form von simplen Bedienfehlern. Es wurde sogar über viele Jahre speziell eine "Cockpit-Kommission" berufen, die an der Vereinheitlichung der Cockpits arbeite, was oft monate- oder gar jahrelanges Tauziehen mit dem OKB Tupolev und der IF-Flugtechnik bedeutete, um sinnvolle Veränderungen herbeizuführen. Dennoch blieben die Varianten weitgehend das was sie waren, eben ziemlich verschiedene Varianten einer grundlegenden Konstruktion.
Obwohl die TU-134 mit Abstand die meisten Flüge der INTERFLUG durchführte, gehen bei INTERFLUG „nur“ 27 Tote auf das Konto dieser Maschine, was auch von den Anstrengungen in Sachen Flugsicherheit bei der TU-Staffel zeugte.

IL-18

Die IL-18, das älteste Flugzeug der INTERFLUG, das noch bis zum Ende seinen Dienst tat, war dagegen ein relativ solides, wenn auch älteres Flugzeug. Im Grunde zuverlässig und mit einem einheitlichen Konzept zu bedienen und zu fliegen. Vor der Einführung der IL-62, im Jahre 1970, war die IL-18 der Langenstrecken-Cracker der INTERFLUG überhaupt. Wenn auch mal eine oder gar zwei Zwischenlandungen nötig waren, wurde fast in jeden Winkel der Erde geflogen, oft im Charterverkehr. Ob nach Hanoi oder Maputo, die IL-18 war überall zu Hause und in der hinteren Kabine, die nur wenige Sitzreihen hatte, ließ es sich lärmmäßig auch ganz gut reisen, während im Propeller-Bereich solch ein "Langflug" schon zur Herausforderung werden konnte.

Die IL-18 flog aber wegen ihrer Kapazität von etwa 100 Plätzen manchmal auch frequentierte Kurzstrecken, wie die Tagesrandflüge nach Prag oder nach Budapest. Die IL-18 hatte auch schon hin und wieder einmal einen Triebwerksausfall, ohne aber gleich ein sicheres dreimotoriges Flugzeug genannt zu werden - was einzig auf die Rechnung des völlig unbefriedigenden russischen Triebwerksbaues geht, der noch heute Probleme hat den Anschluss zur Weltspitze zu erlangen. Diejenigen, die IL-18 geflogen sind, erinnern sich jedenfalls heute noch gerne daran. Für einige gibt es noch immer nichts Besseres. Nostalgie-Spaß pur soundso! Mit der längsten Einsatzzeit bei Interflug, mit nur ein Unfall mit 10 Toten bei einem Frachteinsatz, technischem Ausfall und unzureichenden Bedingungen in Afrika kann man von einer guten Zuverlässigkeit der Maschine ausgehen.

IL-62

Mit der Einführung der IL-62 im Jahre 1970 und später dann der IL-62M, kam bereits ein Flugzeug einer neuen Generation in den Flugbetrieb der INTERFLUG. Obwohl die konsequente Fortsetzung der Iljuschin-Philosophie spürbar war, hatte man sich doch bemüht, völlig neue Geräte, Ausrüstung und Systeme zum Einsatz zu bringen. Die IL-62 war fortan das Langstrecken-Flugzeug der INTERFLUG und der IL-18 blieben auf der Langstrecke meist nur noch einzelne Charter- oder Soli-Flüge, später mit den umgebauten Frachtvarianten aber wieder mehr Möglichkeiten. Ein großer Schwachpunkt der IL-62 war, wie nicht anders zu erwarten, die Triebwerksauswahl, bei der nur auf das zurückgegriffen werden konnte, was seinerzeit in der UdSSR zustande gebracht wurde und das war wenig an Auswahl und nicht sehr gut, sowohl was Leistung, Zuverlässigkeit und Wartungszyklen betraf.
Dennoch gab es Dank der exzellenten Wartungsarbeit bei der INTERFLUG-Flugtechnik relativ wenig Triebwerksausfälle bei IF.

Ein weiterer Schwachpunkt war die Navigationsausrüstung, die dem Weltstandard für Langenstreckenflugzeuge nur schwerlich nahekam. Zunächst wurde mit LORAN B navigiert. OMEGA wurde erst 1980 eingeführt, erforderlich durch die auf dem Nordatlantik inzwischen verringerte Seiten-und Höhenstaffelung, da LORAN B, mit dem bisher geflogen wurde, zu ungenau war.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurde also ausschließlich noch mit LORAN B navigiert. Dieses System wurde von den Amerikanern bereits im 2.WK eingeführt um ihre Luftstreitkräfte nach Europa führen zu können. Auf dem Atlantik lagen an festen Punkten Funkschiffe, die zu genau synchronisierten Zeiten Impulse ausstrahlten. An den Schnittpunkten dieser "Linien", eingetragen auf einer Karte, konnte der Navigator seine Position bestimmen. Da in der DDR aber US-Dollars knapp waren, wurden auch nicht alle IL-62 mit LORAN B ausgerüstet.
Zumindest von den Empfängern gab es nur ein paar Stück. Immer wenn also ein Atlantik-Flug fällig war (SXF-HAV), wurde die entsprechende Maschine während einer sog. "Atlantikkontrolle" (bei der noch andere Arbeiten erledigt wurden) mit LORAN B ausgerüstet. Günter Lange von der Flugtechnik des VF der IF, von dem diese Informationen stammen, erinnert sich noch genau, dass dies immer "eine ganz schöne Zitterei war". Durch das viele „Umgebaue“ waren die Anlagen schon ganz erheblich verschlissen und es gehörten "Lucky Hands" dazu, alles dann zum Laufen zu bringen.

Ab Anfang 1980 wurden zwei OMEGA und eine Trägheitsanlage gefordert. Mit der Trägheitsanlage I-11 hatten die russischen "Genossen" ein Meisterwerk der Feinmechanik abgeliefert. Immerhin 86kg schwer und fast alles mechanisch!!! Aufrichtzeit bis zum Betrieb 60 Minuten, in denen das Flugzeug möglichst nicht bewegt oder erschüttert werden sollte. Das brachte oft alle Arbeitsabläufe durcheinander. Jede Startvorbereitung musste entsprechend früh von einem Techniker betreut werden. In dieser Zeit durften keine großen elektrischen Verbraucher "gefahren" und auch nichts ein- oder ausgeladen werden, sonst brach die Anlage den Vorgang (das sogenannte Alignement) ab und man musste von vorn beginnen. Nicht nur einmal passierte dies, wenn die Passagiere bereits schon im Flieger saßen. Dann hieß dies nur: Warten. Das war dann im Hochsommer bei 30 Grad oder in HAV auf dem Vorfeld des Flughafens bei Plus 40 Grad oder mehr, das "reinste Vergnügen", so berichtet Ingenieur Lange. Die I-11 Anlagen wurden fast alle bei Grundüberholungen von der sowjetischen Seite schrittweise nachgerüstet.

Einige Vorkommnisse (incidents, wie track deviation) der IL-62 hatten ihre Ursache in der unzureichenden Langstreckennavigations-Ausrüstung. Nur die besten Navigatoren meisterten immer wieder diese komplizierten Anlagen in vielen erdenklichen Situationen und Ausfällen. Zum Glück war die Anzahl der Navigatoren mit langjähriger Erfahrung nicht so gering, was INTERFLUG sicherlich vor so manchem Problem bewahrte. Dennoch entsinne ich mich an eine wohl etwa 90-Kilometer Abweichung bei einem Flug über den Atlantik nach Gander, die damals auf der kanadischen Seite einige Wellen machte. Eine Abweichung dieser Art war allerdings die absolute Ausnahme seit der Indienststellung 1970.

Das Reisen in der IL-62 war recht angenehm und bot bis zur Einführung des Airbus A-310-304 im Sommer 1989 den höchsten Level an Komfort bei der INTERFLUG. Die IL-62 wurde auch auf der hochfrequentierten "Linie der Freundschaft" nach Moskau eingesetzt, wo dann am Morgen des 17. Juni 1989 beim Take Off in Schönefeld auf der RWY 25L die DDR-SEW verunglückte: Der letzte Unfall der INTERFLUG.

Der erste Unfall der INTERFLUG bei dem Menschenleben zu beklagen waren, die DM-SEA, ging ebenfalls auf das Konto der IL-62. Eine seltsame Tragik mit der die INTERFLUG IL-62 in die Geschichte einging. Zwei schwere Unfälle mit insgesamt 177 Toten kommen auf das Konto der IL-62. Damit kamen durch die IL-62 etwa 83% aller jemals bei INTERFLUG getöteten Passagiere ums Leben.

AN-24W

Erwähnt werden muss hier noch ein Flugzeug der INTERFLUG, das eigentlich ganz oben stehen müsste, da es mit dieser Maschine nie einen Unfall gegeben hat, die AN-24W. Sie war in mancher Hinsicht den anderen russischen Flugzeugen in der gleichen Zeitspanne etwas voraus, wenngleich sie mit allen russischen Konstruktionen die Hauptmängel für einen Einsatz in der westlichen Welt teilte: Zu schwer (Basic Weight), zu laut, zu wenig Komfort und zu wenig Nutzlast. Sie war für ein Turbo-Propflugzeug recht gut und sicher zu operieren. Als der Inlandverkehr aufgeben wurde, wurde auch die AN-24 verschenkt. 5 Maschinen gingen nach Grundüberholung als Spende aus dem Solidaritätsfond der DDR nach Vietnam, eine Maschine wurde an die bulgarische "Balkan" verkauft.

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