Die alte INTERFLUG im www Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG |
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Flugunfälle |
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Autor: Gerd Ritter | 05.11.2016 |
Im Laufe der Geschichte der INTERFLUG gab es auch eine Reihe, von zumeist technisch bedingten Flugunfällen. Alle Flugzeuge in der Welt haben ihre konstruktiven Besonderheiten und ihre Unzulänglichkeiten, einige weniger, andere mehr. Die Flugzeuge russischer Bauart hatten ihre Probleme jedoch im Besonderen. Das hatte verschiedene Gründe. Sowohl technologische Defizite, wie auch Materialprobleme und fehlende Fertigungsgenauigkeiten führten fast immer zu Überdimensionierungen, um die Sicherheit zu garantieren. Die Innovationszyklen waren deutlich länger als in den westlichen Industrienationen. Die erste TU-204, die der B-757 sehr nachempfunden ausschaut, flog erst 7 Jahre später das erste Mal, um von der Indienststellung bei den Airlines gar nicht erst zu reden. Erstmals hatte Tupolev damit seine wenig beliebte und unzweckmäßige negative V-Form der Tragflächen aufgegeben. Auch Winglets waren erstmalig dann 1989 zu sehen. Auf diesen Seiten soll versucht werden, die durch INTERFLUG verursachten Flugunfälle näher zu betrachten, die Gründe aufzuzeigen, wie es zu den Unfällen gekommen ist, ohne jedoch eine vollständige Untersuchung abzubilden. Die Untersuchungsberichte liegen in den Archiven.
Die TU-134(A) war ein ziemlicher konstruktiver Missgriff mit vielen faulen Kompromissen. Die INTERFLUG war von Anfang an bemüht, aus der TU-134(A) das beste zu machen. Viele der so genannten "Germanisierungen" der TU-134A hatten nur einen Sinn, das Flugsicherheits-Niveau mit diesem nicht einfach zu operierenden Flugzeug, auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Schwierig blieb diese Gratwanderung bis zum Schluss.
Die IL-18, das älteste Flugzeug der INTERFLUG, das noch bis zum Ende seinen Dienst tat, war dagegen ein relativ solides, wenn auch älteres Flugzeug. Im Grunde zuverlässig und mit einem einheitlichen Konzept zu bedienen und zu fliegen. Vor der Einführung der IL-62, im Jahre 1970, war die IL-18 der Langenstrecken-Cracker der INTERFLUG überhaupt. Wenn auch mal eine oder gar zwei Zwischenlandungen nötig waren, wurde fast in jeden Winkel der Erde geflogen, oft im Charterverkehr. Ob nach Hanoi oder Maputo, die IL-18 war überall zu Hause und in der hinteren Kabine, die nur wenige Sitzreihen hatte, ließ es sich lärmmäßig auch ganz gut reisen, während im Propeller-Bereich solch ein "Langflug" schon zur Herausforderung werden konnte. Die IL-18 flog aber wegen ihrer Kapazität von etwa 100 Plätzen manchmal auch frequentierte Kurzstrecken, wie die Tagesrandflüge nach Prag oder nach Budapest. Die IL-18 hatte auch schon hin und wieder einmal einen Triebwerksausfall, ohne aber gleich ein sicheres dreimotoriges Flugzeug genannt zu werden - was einzig auf die Rechnung des völlig unbefriedigenden russischen Triebwerksbaues geht, der noch heute Probleme hat den Anschluss zur Weltspitze zu erlangen. Diejenigen, die IL-18 geflogen sind, erinnern sich jedenfalls heute noch gerne daran. Für einige gibt es noch immer nichts Besseres. Nostalgie-Spaß pur soundso! Mit der längsten Einsatzzeit bei Interflug, mit nur ein Unfall mit 10 Toten bei einem Frachteinsatz, technischem Ausfall und unzureichenden Bedingungen in Afrika kann man von einer guten Zuverlässigkeit der Maschine ausgehen.
Mit der Einführung der IL-62 im Jahre 1970 und später dann der IL-62M, kam bereits ein Flugzeug einer neuen Generation in den Flugbetrieb der INTERFLUG. Obwohl die konsequente Fortsetzung der Iljuschin-Philosophie spürbar war, hatte man sich doch bemüht, völlig neue Geräte, Ausrüstung und Systeme zum Einsatz zu bringen. Die IL-62 war fortan das Langstrecken-Flugzeug der INTERFLUG und der IL-18 blieben auf der Langstrecke meist nur noch einzelne Charter- oder Soli-Flüge, später mit den umgebauten Frachtvarianten aber wieder mehr Möglichkeiten. Ein großer Schwachpunkt der IL-62 war, wie nicht anders zu erwarten, die Triebwerksauswahl, bei der nur auf das zurückgegriffen werden konnte, was seinerzeit in der UdSSR zustande gebracht wurde und das war wenig an Auswahl und nicht sehr gut, sowohl was Leistung, Zuverlässigkeit und Wartungszyklen betraf. Ein weiterer Schwachpunkt war die Navigationsausrüstung, die dem Weltstandard für Langenstreckenflugzeuge nur schwerlich nahekam. Zunächst wurde mit LORAN B navigiert. OMEGA wurde erst 1980 eingeführt, erforderlich durch die auf dem Nordatlantik inzwischen verringerte Seiten-und Höhenstaffelung, da LORAN B, mit dem bisher geflogen wurde, zu ungenau war. Ab Anfang 1980 wurden zwei OMEGA und eine Trägheitsanlage gefordert. Mit der Trägheitsanlage I-11 hatten die russischen "Genossen" ein Meisterwerk der Feinmechanik abgeliefert. Immerhin 86kg schwer und fast alles mechanisch!!! Aufrichtzeit bis zum Betrieb 60 Minuten, in denen das Flugzeug möglichst nicht bewegt oder erschüttert werden sollte. Das brachte oft alle Arbeitsabläufe durcheinander. Jede Startvorbereitung musste entsprechend früh von einem Techniker betreut werden. In dieser Zeit durften keine großen elektrischen Verbraucher "gefahren" und auch nichts ein- oder ausgeladen werden, sonst brach die Anlage den Vorgang (das sogenannte Alignement) ab und man musste von vorn beginnen. Nicht nur einmal passierte dies, wenn die Passagiere bereits schon im Flieger saßen. Dann hieß dies nur: Warten. Das war dann im Hochsommer bei 30 Grad oder in HAV auf dem Vorfeld des Flughafens bei Plus 40 Grad oder mehr, das "reinste Vergnügen", so berichtet Ingenieur Lange. Die I-11 Anlagen wurden fast alle bei Grundüberholungen von der sowjetischen Seite schrittweise nachgerüstet. Einige Vorkommnisse (incidents, wie track deviation) der IL-62 hatten ihre Ursache in der unzureichenden Langstreckennavigations-Ausrüstung. Nur die besten Navigatoren meisterten immer wieder diese komplizierten Anlagen in vielen erdenklichen Situationen und Ausfällen. Zum Glück war die Anzahl der Navigatoren mit langjähriger Erfahrung nicht so gering, was INTERFLUG sicherlich vor so manchem Problem bewahrte. Dennoch entsinne ich mich an eine wohl etwa 90-Kilometer Abweichung bei einem Flug über den Atlantik nach Gander, die damals auf der kanadischen Seite einige Wellen machte. Eine Abweichung dieser Art war allerdings die absolute Ausnahme seit der Indienststellung 1970. Das Reisen in der IL-62 war recht angenehm und bot bis zur Einführung des Airbus A-310-304 im Sommer 1989 den höchsten Level an Komfort bei der INTERFLUG. Die IL-62 wurde auch auf der hochfrequentierten "Linie der Freundschaft" nach Moskau eingesetzt, wo dann am Morgen des 17. Juni 1989 beim Take Off in Schönefeld auf der RWY 25L die DDR-SEW verunglückte: Der letzte Unfall der INTERFLUG. Der erste Unfall der INTERFLUG bei dem Menschenleben zu beklagen waren, die DM-SEA, ging ebenfalls auf das Konto der IL-62. Eine seltsame Tragik mit der die INTERFLUG IL-62 in die Geschichte einging. Zwei schwere Unfälle mit insgesamt 177 Toten kommen auf das Konto der IL-62. Damit kamen durch die IL-62 etwa 83% aller jemals bei INTERFLUG getöteten Passagiere ums Leben.
Erwähnt werden muss hier noch ein Flugzeug der INTERFLUG, das eigentlich ganz oben stehen müsste, da es mit dieser Maschine nie einen Unfall gegeben hat, die AN-24W. Sie war in mancher Hinsicht den anderen russischen Flugzeugen in der gleichen Zeitspanne etwas voraus, wenngleich sie mit allen russischen Konstruktionen die Hauptmängel für einen Einsatz in der westlichen Welt teilte: Zu schwer (Basic Weight), zu laut, zu wenig Komfort und zu wenig Nutzlast. Sie war für ein Turbo-Propflugzeug recht gut und sicher zu operieren. Als der Inlandverkehr aufgeben wurde, wurde auch die AN-24 verschenkt. 5 Maschinen gingen nach Grundüberholung als Spende aus dem Solidaritätsfond der DDR nach Vietnam, eine Maschine wurde an die bulgarische "Balkan" verkauft. |
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