Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
04-Okt-2016


Revision 3.0
Spuckbeutel (Kotztüten)

Author: Gerd Ritter 15.04.2008  
03.10.2016

Mal ehrlich, müssen sie nicht auch manchmal fast kotzen? Was man heute so alles lesen, sehen und hören muß, geht einem doch manchmal schon ganz schön auf den Magen, oder? Da muß man sich noch nicht einmal in ein Flugzeug setzen, geschweige denn, mit diesem auch noch abzuheben.  Aber für die Flugreisen wurde die Tüte nun einmal erfunden.

Zeige mir deine Kotztüte und ich sage dir, mit wem du geflogen bist!
(alte Passagier-Doppelweisheit, denn sie gilt für leere und gefüllte Tüten)

Der Überlieferung nach soll die Spucktüte in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf einem stürmischen Flug von Moskau nach Berlin erfunden worden sein. Den Durchbruch schaffte sie dann wohl in den fünfziger Jahren als endlich die leimlose Verbindung von Papier mit Polyethylen gelang.

Die bekannte Schweizer Herstellerfirma ELAG verkauft heutzutage so etwa 70 Millionen Tüten im Jahr, Stückpreis drei bis fünf Cents.
Wohlgemerkt, wir haben nicht 70 Millionen Spucker im Jahr. So schlimm sind weder Wetter noch Piloten. Meist wird die Tüte zweckentfremdend gebraucht oder eben einfach "gestohlen"/entwendet/unbenutzt mitgenommen.
Viele Airlines drucken deshalb schon nicht mehr ihr Logo und ihren Namenszug auf die Tüte (z.B. KLM)

Ja, und das war sie, unsere "Dicke".

Nicht gerade super-schön, kein Meisterwerk, wohl auch nicht von ELAG, vermute ich, aber absolut zuverlässig, über viele Jahre ein treuer Begleiter, ein wahrer Flugbegleiter. Möglicherweise entstand sie in der Lehrlingswerksatt irgendeines Papierkombinates, vielleicht gar in Schwedt an der Oder, da wo aus Bioabfällen und maßgefertigten Sägespänen auch unsere gute alte Raufasertapete hergestellt wurde.

Ihr Ökö-Schnee-Weiß war nicht sehr lichtecht, so daß ihr Blender-Effekt schnell verloren ging und war sie erst einmal durchgeknautscht, war sie manchmal sogar ein bischen häßlich, aber total unverdächtig.

Bis auf die Anzeige des Besitzers, INTERFLUG, fand man auch keine weiteren subversiven Hinweise auf TGL-Standards oder dergleichen, was sie auch für die Stasi wenig suspekt machte. Sie durfte darum auch von Anfang an ins NSW ( nichtsozialistisches Währungsgebiet ) fliegen, obwohl sie nicht einmal ein Parteibuch und sogar unzählige Verwandte im Westen hatte.

Platt gemacht und fast unscheinbar kam sie täglich und unermüdlich zur Arbeit. Immer bereit, wie ein Pionier.
Sie hatte ein ziemlich gelassenes Wesen. Ihr war es egal ob Kotze, Blumen oder Bierflasche. Sie schluckte alles. Stehen konnte sie ohne Hilfe nicht . Sie mußte angelehnt oder in das Netz der Rückenlehne des Vordersitzes zurückbeordert werden, was aber meist gar nicht nötig war, da die geschulten Stewardessen der INTERFLUG immer sofort Lunte (Kotze) rochen und dem Passagier zur Hilfe eilten.

Kürzlich erst fiel mir bei partiellen Ausgrabungen in meinem Keller doch noch eine weitere INTERFLUG Kotztüte in die Hände.

Diese mindestens 20 Jahre alte Tüte war natürlich in einem erbärmlichen Zustand, obwohl noch keine Verwesung festzustellen war und der Wassertest positiv ausfiel.
Das herkömmliche Glätten half allerdings kaum (vom Bügeln habe ich wegen der unbekannten inneren Beschichtung abgesehen, da es zu einer Verschweißung hätte führen können, was den nachfolgenden Wassertest unmöglich gemacht hätte).

Die Verklebung des unteren Randes (Pfalz) zeugt eindeutig von einer manuellen Herstellung in einer Lehrwerkstatt oder einem Zuchthaus (Tüten kleben!) und sieht im Original noch viel schlimmer aus.

Jede Tüte war ein Unikat.
Welche Airline kann das von ihren Tüten sagen? Aber diese Tüte ist auch ein echter Surviver.

So etwas findet man heute kaum noch. Das sollte man hier zusätzlich berücksichtigen.

Auch diese Tüte kann heutzutage leider keinen Preis mehr gewinnen und wird kaum einen Platz in einem renomierten Kotztütenmuseum, wie das in Herne, finden.

Ihre Schönheit war ihre Schlichtheit, Natürlichkeit und Naturverbundenheit. Sie hatte das Herz auf dem richtigen Fleck. Einfach INTERFLUG stand da in vorsichten Lettern, wo andere zeitgemäß einen Herzschrittmacher tragen. Sie fehlt uns heute sehr, unsere alte Tüte.

Sehr aufregend war unsere Kotztüte, die es wohl über die Jahre in zwei Abmessungen gab von 155 x 305 und 148 x 275 mm gab, allerdings nicht und ein Referenzmodell war sie sicherlich auch nicht, die kleine dicke INTERFLUG Kotztüte. Nur, mußte sie denn das nach unserem Verständnis überhaupt sein? Werbeträger hatten wir eigentlich auch nicht nötig, und der Name INTERFLUG stand weltweit soundso als eine Klasse für sich.

Es ist offensichtlich noch lange nicht Schluß mit dem Thema "IF Kotztüte"

Wer nun geglaubt hatte, damit sei das Thema INTERFLUG-Kotztüte beendet, der hatte sich gewaltig geirrt. Wie aus heiterem Himmel flatterte mir die e-mail des Tüto-Philisten Dr. Walter Brinker ins Postfach und der inzwischen durch Funk und Fernsehen deutschlandweit bekannte Sammler bietet mir die Ablichtungen zweier weiterer Varianten eines zweifelsfreien INTERFLUG-Spuckbeutels an.
Einige e-mails gehen hin und her und hier sind exklusiv für unsere "User" die beiden Exemplare zur Ansicht. Leider ist die zweite Tüte in einem erbärmlichen Zustand.
Aber wegen ihrer Seltenheit und dem Mangel an einem besser erhaltenen Exemplar soll sie hier dennoch residieren, wenngleich sie kein gutes Aushängeschild für INTERFLUG ist, doch wer weiß, was diese Tüte bereits mitgemacht und erlebt hat.

Leider sind weder Dr. Brinker noch mir eine annähernde zeitliche Zuordnung gelungen, so daß ich hier voll auf das Feed-Back unserer INTERFLUG-Stewardessen und unserer Passagiere angewiesen bin.

Wie es ausschaut, übertrifft die Sammlung des Dr. Brinker die unseres inzwischen wohlbekannten Jablos noch um einiges.

Laut Dr,. Brinker gibt es auf der Welt nur etwa 40-50 ernst zu nehmende Tütensammler.

Alle jene, die INTERFLUG-Tüten in ihrem Bestand haben, nehmen wir natürlich sehr ernst.

 

 

 

 

 

 

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