Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
17.09.2016


Revision 3.0
Schumann & Leitner


Schwingungsdiagnose an Triebwerken der Flugzeuge TU-134 / A und IL-62M der Interflug


von P. Schumann, ehem. ITA / FT VF

und

B. Leitner, ehem. Gerätewerkstatt / FT VF


Schwingungsdiagnose an Triebwerken der Flugzeuge Tu-134 / A und IL-62M der INTERFLUG

An jedem Triebwerk treten während des Betriebes Schwingungen auf. Diese werden gemessen, im Cockpit angezeigt und für die Überwachung des technischen Zustandes des jeweiligen Triebwerkes ausgewertet. Bei Überschreitung vom Hersteller vorgegebener Werte leuchten im Cockpit Warnlampen auf, um entsprechende Maßnahmen ( z.B. Abstellen des Triebwerkes ) anzuweisen. An der IL-62M mit Triebwerken D-30 KU und der Überwachungsanlage IW-200 A wurde bei einer Schwinggeschwindigkeit > 65 mm/s eine gelbe Warnlampe; bei > 90 mm/s eine rote Warnlampe pro Triebwerk eingeschaltet. Es gab 2 Schwingungsaufnehmer pro Triebwerk (an der vorderen bzw. hinteren TW-Aufhängung) und jeweils 1 Anzeiger umschaltbar für beide Schwingungsaufnehmer eines Triebwerkes. Ein analoges Signal der hinteren Aufhängung jedes Triebwerkes ging auf den Datenschreiber MSRP-64. Ein diskretes Signal bei > 90 mm/s und leuchtender roter Warnlampe eines beliebigen Triebwerkes ging ebenfalls an den Datenschreiber MSRP-64. Beim Flugzeugtyp IL-62M gab es bei der Fluggesellschaft LOT (Polen) 1987 einen Absturz, als dessen Ursache ein Bruch des Zwischenwellenlagers ermittelt wurde, was zu Triebwerksschwingungen und schließlich zur Zerstörung des Triebwerkes führte. Bei der INTERFLUG gab es ein Vorkommnis während des Fluges: Die Signallampen für ein Triebwerk leuchteten auf, wurden aber durch Ablenkung der Besatzung beim Lesen von Navigationskarten nicht sofort bemerkt (Signallampen waren verdeckt). Erst 3 Minuten nach Aufleuchten der Warnlampen wurde das Triebwerk abgestellt laut Aufzeichnung des Datenschreibers MSRP-64. Bei beiden Vorkommnissen wurden Beschädigungen des Außen-und Innenringes sowie der Rollen am Zwischenwellenlager des Triebwerkes D-30KU festgestellt. Die Fluggesellschaft LOT rüstete ihre Flugzeuge danach mit einer neu entwickelten Schwingungsmessanlage der Firma Vibrometer aus der Schweiz aus. Die INTERFLUG führte in Berlin ebenfalls Gespräche mit Vertretern der Firma Vibrometer, die jedoch ergebnislos abgebrochen wurden, weil die Führung der INTERFLUG keine Valutamittel zum Erwerb dieser Anlagen bereitstellen konnte. Auch deshalb wurden bei der INTERFLUG spezielle Maßnahmen für die Erhöhung der Zuverlässigkeit der vom Hersteller eingebauten Überwachungsanlage IW-200A durchgeführt, da diese Anlage leider oft Fehlanzeigen produzierte. Vom sowjetischen Hersteller der Schwingungsaufnehmer wurde eine Neuentwicklung auf der Grundlage der Piezo-Technik angekündigt. Noch 1989 wurden zwei Aufnehmer (Typ: MW 04-01) der Interflug übergeben und vom VEB Messelektronik Radebeul getestet und als sehr gut eingeschätzt. Weiterhin wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule Zittau und der Firma VEB Robotron eine Überprüfung der TW-Schwingungen mit einer separaten Messanlage bei TW-Läufen am Boden entwickelt.

Funktionsprinzip eines Schwingungsaufnehmers MW-25 Bei Flugzeugen TU-134 / TU-134A mit Triebwerken D-30, 1. und 2. Serie und der Überwachungsanlage IW-200 erfolgte die Signalisation bei einer Schwinggeschwindigkeit >50 mm/s über ein Tableau „Große Vibration“ pro Triebwerk. Ein diskretes Signal bei > 50 mm/s ging auf den Datenschreiber MSRP-12. Die vom Hersteller eingebaute Schwingungsüberwachungsanlage IW-200 hatte eine erhöhte Störanfälligkeit. (Keine Totalausfälle, sondern fehlerhafte Anzeigen).

Die Technische Universität Dresden stellte bei einer Untersuchung an den Triebwerken D–30 als Ursache der Störanfälligkeit die Lagerung des Feder-Masse-Systems des verwendeten Schwingungsaufnehmers MW-25 fest. Um die Zuverlässigkeit der Schwingungsüberwachungsanlage IW-200 und besonders der Aufnehmer MW-25 zu gewährleisten wurden bis zur geplanten Lieferung der neuen Aufnehmer MW 04-01 (ab 1990/1991) von den Ingenieuren des Fachbereiches Geräte (ITA und Werkstatt) in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Zittau und der Firma VEB Robotron Dresden einige Maßnahmen durchgeführt. Von den Ingenieuren der Gerätewerkstatt wurden dafür neue Prüfmethoden entwickelt, um den Ausfall bzw. die Ausgabe fehlerhafter Messwerte des Schwingungsaufnehmers MW-25 als Störquelle zu beseitigen.

Im Zeitraum Juni bis Dez. 1989 wurden bei planmäßigen Wartungsmaßnahmen 373 Stück MW-25 überprüft. Davon 238 Stück bei IL-62M mit dem Befund: 13 Stück mit verzerrter Sinuskurve = Anzeigefehler, aber kein Totalausfall. Durchschnittliche Einsatzzeit bis zum Defekt 1392 Flugstunden. 67 Stück bei Tu-134A mit dem Befund 19 Stück mit verzerrter Sinuskurve = Anzeigefehler, aber kein Totalausfall. Durchschnittliche Einsatzzeit bis zum Defekt 718 Flugstunden. 10 Stück bei IL-18 mit dem Befund: 58 Stück neu (Zustand1).

Als Störquelle (verzerrte Sinuskurve, dadurch fehlerhafte Anzeigen) wurde wie bereits durch die Technische Universität Dresden die Lagerung der Schwingmasse (Dauermagnet) ermittelt ( siehe Abbildung des Funktionsbildes eines MW-25). Eine Reparatur der beschädigten Lagerung war nach Einschätzung der Spezialisten vom VEB Mess- und Frequenztechnik Radebeul nicht möglich. Bei festgestellten Schäden wurden deshalb neue Aufnehmer eingebaut. Durch diese Prüfmethode war die zuverlässige Arbeit der Schwingungsaufnehmer MW-25 zwischen den planmäßigen Wartungsmaßnahmen gewährleistet. Die Schwingungsaufnehmer MW-25 mussten für die Überprüfung vom Triebwerk abgebaut, in der Werkstatt überprüft ( mittels Schwingtisch und Oszillator ) und wieder am Triebwerk montiert werden. Diese Methode wurde auch von Spezialisten des sowjetischen Herstellers als sehr gut beurteilt.

Von den Geräte-Fachingenieuren in der Ingenieurtechnischen Abteilung (ITA) sollte parallel zu den oben genannten Aktivitäten eine unabhängige Messmethode entwickelt werden, die eindeutig die Ursache von auftretenden erhöhten Schwingungsanzeigen klären hilft. In Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Zittau wurde dafür eine Messmethode entwickelt, um den Zustand des TW-Zwischenwellenlagers zu ermitteln. Durch diese neuen Überprüfungsmöglichkeiten der Anlage IW-200 und die Möglichkeit der Messung der Schwingungsparameter bei Triebwerksläufen am Boden mithilfe des separaten Messgerätes M 1302 von VEB Robotron Dresden konnte die Zuverlässigkeit der Triebwerke erhöht werden. Aufgrund der nicht sofort nach Aufleuchten der Warnlampen durchgeführten Maßnahmen einer IL-62-Besatzung (siehe oben) wurde durch die Cockpitkommission festgelegt, eine akustische Warnanlage zusätzlich in die Flugzeuge IL-62M einzubauen.

Die Warnanlage soll mit einem akustischen Warnton zusätzlich signalisieren: 1. Aufleuchten der roten Lampe bei Schwingungen > 90 mm/s eines beliebigen TW. 2. Aufleuchten der gelben Lampe bei Schwingungen > 65 mm/s und Aufleuchten der Signallampe „ Späne im Öl“ eines beliebigen TW. Die Anlage wurde durch die Ingenieure der Gerätewerkstatt und ITA Geräte entwickelt und im April 1989 in das Flugzeug DDR-SEW eingebaut und sollte nach Flugerprobungsanweisung Nr. 1/89 G3 vom 14.04.1989 über 300 Flugstunden erprobt werden. Am 17.06.1989 kam es aufgrund des blockierten Höhenruders aber beim Startvorgang zur Havarie des Flugzeuges auf dem Flughafen Schönefeld. Die versuchsweise eingebaute akustische Warnanlage wurde mit Genehmigung der Untersuchungskommission ausgebaut und in der Gerätewerkstatt kontrolliert. Sie funktionierte nach der Havarie noch einwandfrei.
Durch diese Maßnahmen zur Gewährleistung der zuverlässigen Anzeigen der Schwingungsparameter und des Ansprechens der Warnlampen bei erhöhten und gefährlichen Schwingungen kam es zu keinen Fehlentscheidungen und dadurch zu keinen schweren Vorkommnissen im Flugbetrieb beim Überschreiten der zulässigen Schwingungsparameter.

Die Aufgabe einer Überwachungsanlage ist es, die zu überwachenden Parameter zuverlässig anzuzeigen. Es wäre unlogisch bei Überschreiten von Parametern anzunehmen, dass die Überwachungsanlage defekt ist. Das wäre ein falsches Handeln mit gefährlichen Folgen. Um ein solches Handeln und Denken zu vermeiden, wurden durch die Ingenieure des Fachbereiches Geräte (Avionik) die oben aufgeführten Maßnahmen durchgeführt und durch Erfahrungsaustausch mit der Hochschule Zittau, VEB Robotron, Technischer Universität Dresden, VEB Messelektronik Radebeul ständig überwacht, sowie neue Erkenntnisse eingearbeitet. Die für Schwingungsmessungen bei TW-Läufen am Boden eingesetzte Messanlage Schwingungsmessgerät 1302, Schmalbandfilter und Pegelschreiber wurde bei anderen Überprüfungen z.B. der Lagerdiagnose an Generatoren eingesetzt. Weiterhin wurde mit dieser Messanlage auf Anfrage des TW-Herstellers D-30 KU im Herstellerwerk Rybinsk Messungen zur Ermittlung von Lagerschäden an dem Gleichlaufgetriebe PPO des TW D-30 KU erfolgreich durchgeführt. Durch Beschluss der Treuhand vom 07.02.1991 wurde die INTERFLUG GmbH bekanntermaßen danach liquidiert. Die Zusammenarbeit mit dem TW-Herstellerwerk Rybinsk sowie mit den obengenannten Betrieben und Hochschulen mußte danach eingestellt werden.

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