Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
29.08.2016


Revision 3.0
"graue Maus"

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Genaue Anflüge und sichere Landungen bei Wind und Wetter für andere zu ermöglichen, dafür flog die IL-18 DDR-STP, das Messflugzeug der IF Flugsicherung:

TU-134
Hier eine TU-134A der Interflug im Anflug über einer ILS-Kurswegantenne des Systems SP-70 in Berlin-Schönefeld

IL-14 SAL
Das frühere Messflugzeug IL-14 DDR-SAL bei der Flugvorbereitung in Berlin-Schönefeld

Nach Ausmusterung der alten DDR-SAL wurde ab 1984 als Messmaschine für die Technische Prüfung des IF-Betriebes Flugsicherung die IL-18 DDR-STP eingesetzt.

Anfangs noch in üblichen IF-Farben (s. unteres Foto) wurden in den ehemaligen Passagierkabinen der IL-18C durch Umbauten bei der Flugtechnik in Berlin mehrere Arbeitsplätze für die Messwertaufnahme und -Verarbeitung vorbereitet (betreut durch Hans Hofmann, IT/Z).

IL-18

In Dresden erfolgte danach der Einbau der Geräte in große Gerätegestelle und verteilt auf die verschiedenen Arbeitsplätze durch die Mitarbeiter des Dresdner Labors der TP Flugsicherung.
Die Geräte waren, wie so oft in der DDR, Eigenbau des Labors, wie auch die zugrunde liegenden Methoden dort selbst entworfen und erprobt wurden.

IL-18 innen1
Einer der vielen Messplätze…
IL-18 innen2


Auf den beiden Fotos ist erkennbar: das zur IL-14 vergleichsweise große Flugzeug bot den Technikern der Flugsicherung hervorragende Arbeitsmöglichkeiten und Gerätegestelle mit großem Platzangebot.

Die Messflüge von bis zu 5 oder 6 Stunden Dauer und mit wiederholten Anflügen in wechselnden Höhen und Anflugrichtungen erfolgten zur Messwerterfassung bei Anflügen der zu vermessenden Antennenanlage, also meist in Flugplatznähe in geringen Flughöhen von 300 oder 600m.
Recht bald beanstandeten die Besatzungen dann die hohe Raumtemperatur im Cockpit. Sie lag immer wieder weit über der empfohlenen Raumtemperatur von 15 bis 20° C und war auch nicht zu reduzieren. Deshalb war für die Besatzung der DDR-STP einige Zeit typisch ohne Uniformjacke und –hemd zu fliegen. Viele werden sich erinnern.

IL-18 Cockpit
„Messflieger“ Kommandant Hermann Entrich mit einer seiner je nach Verfügbarkeit zusammengestellten Besatzung,
hier auf dem Mittelsitz „Bordmixer“ Arno Rühlicke (ehemals IF-Werft / PA Z)

Die Bearbeitung dieser Beanstandung fiel in mein Arbeitsgebiet und entwickelte sich für mich zu einer interessanten und erlebnisreichen Aufgabe. Schon nach einer ersten Rücksprache mit Hermann Entrich war klar, dass hier keine übliche Reparaturmethode angesagt war. Wir vereinbarten deshalb, dass ich beim nächsten 2-tägigen Einsatz der DDR-STP in Dresden an Bord sein sollte. Damit waren bei mehreren Starts und vielen Flugstunden für mich fast optimale Möglichkeiten gegeben die Maschine unter den neuen Einsatzbedingungen für verschiedenste Messflugprogramme in kurzer Zeit zu erleben.
Beobachtungen des Verhaltens der Klimaanlage und zusätzliche Temperaturmessungen mit unserem werkstatteigenen Temperaturmessgerät in allen Winkeln des Cockpits in Abhängigkeit von Flugdauer und Flughöhe sollten Ansätze für erforderliche Entscheidungen bringen.

Unser Überführungsflug von Berlin nach Dresden war ja noch ein für mich durchaus üblicher „Werkstattflug“. Nachdem die Kollegen der TP Flugsicherung in Dresden zustiegen und das Flugprogramm festgelegt war, kam nach dem nächsten Start für mich etwas Neues ins Spiel: Fliegen in diesem 4-motorigen Flugzeug in ungewohnten geringen Flughöhen und das über Stunden.
Als wir wieder in der Luft waren, vergaß ich für einige Runden erstmal meine eigentliche Aufgabe zu Messen und zu Protokollieren. Schließlich saß ich im Cockpit rechts hinten und war als Beobachter dieser für mich ungewohnten Ereignisse „ziemlich nahe dran“!

Das war schon recht beeindruckend, im Gegenkurs zum Linienflugverkehr in 600m Höhe oder noch tiefer anzufliegen, um dann steil nach links abzukurven.
Die IL-18 hatte schließlich eine Tragflügelspannweite von 37,40m!
Irgendwann gewöhnte man sich aber daran und ging dann doch zur eigentlichen Arbeit über.
Zwischendurch wurde immer wieder mal eine große „Kiste“ geflogen, um dem startenden Verkehr „seine Chance einzuräumen“ wegzukommen.

Am 2. Tag waren ein längerer Flug auf der „IF-Rennstrecke“ für Prüf- und Werkstattflüge zwischen Trent / Rügen und dem Flughafen Erfurt in „üblichen“ Höhen von mehreren tausend Metern zu erledigen, sowie noch einige Flughafenanflüge in Leipzig-Schkeuditz.
Über Leipzig gab es dabei mit einer startenden TU-154 der Aeroflot eine nicht geplante Annäherung, weil die andere Besatzung trotz Information durch die Flugsicherung über unser Erscheinen offensichtlich nicht richtig im Bilde war. Das ergab natürlich zusätzliche Schreibarbeit für den Kommandanten in Form eines entsprechenden Berichtes zum Vorkommnis!

Mein Fazit dieser 2 Tage:
Meine vorherige Vermutung wurde bestätigt. Die IL-18 war konzipiert für Passagierflüge in größeren Flughöhen von 8000 bis über 10000m und dafür gegen übliche Wärmeverluste nach außen gut isoliert. Beim ständigen Kurven in geringen Höhen ergab sich aber keine Temperaturreduzierung. Im Gegenteil, die großen Sicherungstafeln und die vielen Tableaus der Instrumententafeln sorgten auf Dauer für eine stetige Aufwärmung.
Mir war klar: Die Wärme im Cockpit war der sehr konzentriert arbeitenden Besatzung auf Dauer nicht zumutbar und musste durch zusätzliches Aufkommen an Ventilationsluft zukünftig wieder reduzierbar sein.

Die Entnahme einer größeren Luftmenge von den TW´s war konstruktiv nicht möglich und wäre über den kleinen Turbokühler ohnehin nicht zu bearbeiten. Deshalb musste die zusätzliche Luftmenge für die Cockpitkühlung aus der Ventilationsanlage der früheren Passagierkabinen „zusammengeholt“ werden. Auf den beiden Fotos von einem Messplatz und den Gerätegestellen sind noch alle für den früheren Passagierbetrieb notwendigen weißen “Luftduschen“ vorhanden.

Zur Beseitigung unseres Problems wurden viele von diesen für die Belüftung von zusätzlichen Geräten und Arbeitsplätzen nicht erforderlichen Ventilationsluftauslässe der ehemaligen Passagierkabinen dann dichtgemacht. Damit war es möglich, im Cockpit ca. die doppelte Kaltluftmenge zur Verfügung zu stellen.

Unsere Klempner und Schweißer machten es wie so oft gemeinsam sehr schnell möglich, bauten einzelne Rohre der Cockpitventilation um, indem sie diese mit einigen zusätzlichen und regulierbaren Luftauslässen versahen (blaue Markierungen im nachstehenden Schema der Cockpitversorgung).

IL-18 Klimaanlage
IL-18 DDR-STP, Schematische Darstellung der Klimaanlage im Bereich Besatzungskabine
(rot: warme Luft bis ca. 80°C, gelb: kalte Luft bis ca. 20°C, blau: zusätzlich eingebaute regulierbare Auslässe)

Kurz nach diesem Umbau hatte ich dann die Möglichkeit noch mal einen Flug nach Dresden zu begleiten. Ich war natürlich auf die Auswirkungen unserer Änderungen gespannt.
Unsere Maßnahmen waren erfolgreich: die Besatzungen der DDR-STP brauchten sich nicht mehr zum Messflug „umzukleiden“ und waren echt zufrieden. Ich natürlich auch.
Unser gegenseitiges Verständnis und zumindest meine Achtung vor der Leistung unserer Messflieger war durch meine Erlebnisse im Cockpit gewachsen. Es war möglich Probleme zu lösen, die man früher nicht ansprach, weil sie unlösbar erschienen.

Plötzlich sprachen wir aber über viele weitere Themen:

  1. die Besatzungen von stärkeren flash lights (Hermanns sehnlichster Wunsch) um besser gesehen zu werden und sicherer fliegen zu können (was ich durch das Erlebnis in Schkeuditz sehr gut verstand),
  2. „Konni“ Wächter, Chef der TP Flugsicherung Dresden, wollte den roten IF-Farbanstrich wegen einer weiteren Neuerung, der automatischen Zielverfolgung des Flugzeuges über eine TV-Kamera vom Standort der zu vermessenden Bodenantenne abschaffen; der graue Außenanstrich kam ins Gespräch,
  3. Bedenken der Besatzung wegen daraus wieder entstehender höherer Kollisionsgefahr führten dann zur Forderung Reflexfarben an bestimmten Stellen der Außenhaut anzubringen,
  4. 2 zusätzliche Landescheinwerfer unterhalb des Cockpits wurden gleich noch zur besseren Zielerkennung des Flugzeuges von der TP ins Gespräch eingebracht u.v.a.m.

Dafür gab es aber nur eine Umsetzungsmöglichkeit: die bevorstehende GIS in Moskau. In Zusammenarbeit mit dem Typeningenieur IL-18, Winfried Richter, wurden alle Themen natürlich auch anderer ITA-Fachgruppen aufgelistet, dort wie üblich als IF-Änderung zum IL-18-Standard vorbereitet, in der Abt. EB ergänzende Zeichnungen angefertigt und alles in die Spezifikation zur GIS übernommen.

Ich war zur Übergabe und Übernahme der Maschine in Moskau dabei und habe erlebt, dass alle o. g. Änderungen (und Einiges mehr) durch gute Vorbereitung und intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten  umgesetzt wurden.

Es gab viele zufriedene Gesichter wie selten bei solchen Ereignissen:

- Konrad Wächter und die Besatzung waren guter Dinge, weil sie viele Probleme beseitigt sahen.
- Hauptprüfleitung, die Prüfer der TP FT und natürlich auch wir als  ITA-Übergabedelegation, waren entspannt, weil neben der GIS eine sehr aufwendige Spezifikation samt aller Umbauten für dieses spezielle Flugzeug umgesetzt wurden (war auch bei zusätzlicher Bezahlung nicht immer in sowjetischen Werken erreichbar)...

 graue Maus1

graue Maus2

…und damit war die „graue Maus“ mit der roten Nase geboren!

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