Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
05.11.2016

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Revision 2.0
DM-STL

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Author: Gerd Ritter  
04.11.2016
Am 26.März 1979 sollte eine zur Frachtmaschine umgebaute IL-18D der INTERFLUG von Luanda FNLU/LAD (Angola), dem Aeroporto Internacional Quatro de Fevereiro nach Lusaka FLKK/LUN (Sambia), heute Kenneth Kaunda International Airport, fliegen.

Die Maschine war schwer beladen und es herrschte das übliche März/April Wetter mit Tagestemperaturen um die 30 Grad.

Die Besatzung stand unter dem Kommando von Kapitän Dieter Hartmann.

Kapitän Hartmann flog zuvor im Agrarflug der INTERFLUG die AN-2 und dann später im Verkehrsflug die AN-24. Auf dieser Maschine wurde er auch Kapitän, bevor er 1976 zur IL-18 wechselte. An seiner Seite waren an diesem Tag Copilot Jochen Wilsdorf (FZ-16), der nach dem Abschluss seines Ingenieurstudiums 1971 direkt bei der INTERFLUG die Ausbildung zum Copiloten auf der IL-18 aufgenommen hatte. Auch er war zuvor kurzzeitig die AN-2 geflogen.
Die Besatzung wurde vom Navigator Horst Umlauft und vom Bordingenieur Frank John komplettiert. Hartmann und John flogen bereits auf der AN-24 einige Jahre zusammen. Des Weiteren waren 6 Begleiter mit an Bord.

Die seit der Unabhängigkeit Angolas regierende MPLA unterstützte die im damaligen Rhodesien operierende Unabhängigkeitsbewegung ZAPU. Die ZAPU plante 1979 eine Großoffensive und benötigte schwere Waffen, die u.a. von der DDR per Seetransport nach Luanda geliefert worden waren. Der Weitertransport nach Lusaka sollte nun per Flugzeug erfolgen. Weil aber die Kapazitäten der einheimischen Fluggesellschaft TAAG nicht ausreichten, charterte Angola dafür eine Frachtmaschine der INTERFLUG, mit der die insgesamt 500 Tonnen Waffen und Munition befördert werden sollten.

Der Generaldirektor der INTERFLUG Klaus Henkes befahl den Einsatz unter allen Bedingungen zu einem Erfolg werden zu lassen.
Die Il-18 DM-STL wurde dazu mit Besatzung und Technikern vorübergehend in Luanda stationiert.

Es war und blieb der einzige tödliche Flugunfall der Interflug im Ausland, ein typischer „aborted take off accident“ mit „RWY excursion“, leider mit schlimmen Folgen. Es sollte leider nicht der einzige bei INTERFLUG bleiben.

Die Il-18 DM-STL wurde einst im Juni 1966 von der Interflug als Passagiermaschine in Dienst gestellt und war dann im Januar 1974 zum Frachter umgebaut worden.


DM-STL in Berlin-Schönefeld ETBS/SXF auf der Ramp 2 (im Hintergrund die Regierungsabfertigung)
Hier letztmalig vor dem Umbau als Passagiermaschine 1973 zu sehen.

An diesem 26. März 1979 startete die Maschine mit Kapitän Dieter Hartmann an den Controls mit einem Abfluggewicht von 60,5 Tonnen auf der RWY 23.
Beim Start fiel nach 56 Sekunden Triebwerk Nr. 2 aus (portside inboard). Daraufhin wurde der Start abgebrochen.

Das Flugzeug überrollte mit hoher Geschwindigkeit das Ende der RWY, kollidierte dort mit den Antennen des ILS und geriet in Brand.
Dabei kam die vierköpfige Besatzung ebenso ums Leben wie die sechs ZAPU-Angehörigen, die den Transport begleiteten.

Das Flugzeug wurde völlig zerstört (hull loss or beyond repair). (s. Bild)


Die Überreste der in Luanda verunglückten IL-18 DM-STL

Lageplan des Flughafens Luanda - auf dem Foto rechts ist die Unglücksstelle der IL-18 mit einem x gekennzeichnet

Der Unfall wurde durch eine Flugunfalluntersuchungskommission der Staatlichen Luftfahrtinspektion (SLI) mit Hilfe der Interflug im Regierungsauftrag unter Leitung von Dr. rer. mil. Klaus Henkes in seiner Doppelfunktion als Generealdirektor der Interflug und gleichzeitig Stellvertreter des Ministers für Verkehrswesen der DDR untersucht.

Beide Flugschreiber konnten geborgen und auch ausgewertet werden.
Die U-Kommission stellte fest, dass die Entscheidung, den Start abzubrechen, falsch war. Die kritische Startgeschwindigkeit bei Ausfall eines Triebwerks
(V1=222 km/h) war mit 268 km/h bereits deutlich überschritten.

Kommandant Hartmann versuchte zwar zunächst trotz des Triebwerkausfalls den Start fortzusetzen, brach ihn dann aber doch ab. Die verbleibende Strecke der Piste reichte natürlich nicht mehr aus, um das Flugzeug sicher zum Stehen zu bringen. Höchstwahrscheinlich war das Flugzeug auch entsprechend den äußeren Bedingungen mit 60,5 t etwas überladen gewesen. (Temperatur/Wind/Bahnneigung) Unter INA-Bedingungen wäre das maximale Startgewicht MTOW 64 Tonnen gewesen. Allerdings kann in Luanda nicht von INA ausgegangen werden.

Aufgrund der diffizilen Fracht wurden die näheren Umstände des Unglücks zunächst zurückgehalten. Da Angola jedoch Mitglied der ICAO ist, musste ein letztlich ein abschließender Untersuchungsbericht veröffentlicht werden. Als Fracht wurden einfach Lebensmittel und Hilfsgüter angegeben.

Bereits am 31. März beschloss das Politbüro der SED auf Vorschlag von General Dr.Henkes, die Flüge fortzusetzen. Dazu wurde bereits am 2. April 1979 die Il-18 DM-STP unter Kapitän Prüß nach Luanda entsandt, um die restlichen Flüge abzuwickeln.

Der Leiter der Staatlichen Luftfahrtinspektion der DDR, Dr. jur. Gerhard Mudrack, erhob schwere Vorwürfe gegen Dr. Henkes wegen der Verletzung von Regeln zur Einhaltung der Flugsicherheit und wegen der Missachtung der SLI, als staatliches Kontroll- und Untersuchungsorgan. Die Lösung des Problems war typisch für Henkes. Dr. Mudrack wurde daraufhin zum Professor ernannt und auf den eigens neu geschaffenen Lehrstuhl für Flugsicherheit an der Humboldt-Universität zu Berlin „weggelobt“.

An seine Stelle trat nun einer, der zu gehorchen gewohnt war, der ehemalige Oberstleutnant der Luftstreitkräfte und MIG-Jagdpilot Theodor Dadsitz, ein für die zivilen Belange nicht unbedingt zu erwartender Mann.

Das militärisch geprägte Zeitalter der INTERFLUG unter Generalmajor, später sogar Generalleutnant Henkes war nun aber endgültig umfassend institutionalisiert. Henkes bekam dafür noch eine Auszeichnung von der Partei. Wir trauerten um unsere Kollegen.

Es blieb der einzige Unfall einer IL-18 bei der INTERFLUG, einer an sich sehr sicheren und zuverlässigen Maschine.

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