Autor: Gerd Ritter
Am 14. August 1972 geschah das Unvorstellbare, das Ungeheuerliche, das
Erschütternde für uns alle.
Die INTERFLUG verlor
ihre DM-SEA, die erste im April 1970 gelieferte IL-62 mit der Werksnummer 00702. Bis zum Absturz hatte das Flugzeug
rund 3520 Flugstunden absolviert. Ziel des Fluges war der Flughafen Burgas in Bulgarien.
Kapitän des Fluges war der 51-jährige Pilot Heinz Pfaff. Er flog die Il-62 seit ihrer Einführung bei der Interflug und hatte insgesamt 8100 Flugstunden mit über 4 Millionen Flugkilometern Flugerfahrung, unter anderem auch als Pilot der IL-14 und IL-18. Weitere Besatzungsmitglieder waren der Copilot Lothar Walther mit 6041 Flugstunden, Navigator Achim Filenius (8570), Flugingenieur Ingolf Stein (2258) und die vier Flugbegleiterinnen, Marlies Zidanek, Barbara Scholz, Monika Atanassov und Gabriele Scheller.
Hier eine Skizze des vermeintlichen Flugweges der DM-SEA (mit freundlicher
Genehmigung von Jan Richter aus seinem spannenden Buch "Feuer an Bord", - siehe Book-Page. |
Wenige Minuten nach dem Start, etwa 100 Kilometer von Berlin entfernt in der Nähe von Cottbus bemerkte die Besatzung Probleme mit der Trimmung des Höhenleitwerks.
Um 16:44 Uhr wurde nach Absprache mit der Flugsicherung die Rückkehr nach Berlin-Schönefeld eingeleitet. Sieben Minuten später ließ die Besatzung Treibstoff zur Vermeidung einer Überlastlandung ab. Im Sinkflug löste sich das Heck mit Höhen- und Seitenleitwerk vom Flugzeug. Dies führte zum Verlust der Stabilität und Steuerbarkeit des Flugzeuges. Die Maschine kippte kopfüber ab und wurde dadurch starken aerodynamischen Belastungen ausgesetzt, in dessen Folge sich auch ein Teil des vorderen Rumpfes noch in der Luft löste.
Die Trümmerteile schlugen gegen 17:00 Uhr in der Nähe von Königs Wusterhausen auf. Noch eine Minute zuvor hatte der Pilot im Funkverkehr über zunehmende Probleme mit der Höhensteuerung in einem Notruf informiert.
Die untersuchenden Behörden ermittelten letztendlich, dass ein Brand im nichthermetischen Heckteil,
hervorgerufen durch undichte Heißluftleitungen, dazu führte dass es zu einem Verlust
der Festigkeitsstruktur des gesamten Heckteils kam. In diesem Bereich des Flugzeuges waren keine Brandmelder konstruktionsbedingt vorhanden. Das Heckteil, zusammen mit dem Höhenleitwerk
brach ab und ließ das Flugzeug steuerlos zu Boden stürtzen.
Dabei
verloren völlig chancenlos alle 148 Passiegere und die 8 Besatzungsmitglieder
ihr Leben.
Die Katastrophe, bislang die größte der Zivilluftfahrt in
Deutschland, erschütterte nicht nur die INTERFLUG,
sondern das ganze Land. Die spärlichen Informationen, welche nur veröffentlicht
werden durften, führten vor allem im dahmaligen Westen, wo die Medien einen weitaus höhren
Informationsbedarf hatten, zu den abwegigsten Spekulationen.
Da hieß es unter anderem, man
habe die Maschine nicht auf dem Militärflugplatz in Cottbus landen lassen.
Dieses Anliegen wurde aber vom Kapitän nie vorgetragen, da er sich wegen der
fehlenden Brandmelder gar nicht über eine solche Dringlichkeit bewußt war. Man
realisierte bis dahin nur Probleme mit der Höhenflossensteuerung. Sonst hätte
die Besatzung nach der Entscheidung des Abbruchs des Fluges im Anflug von
Schönfeld nicht noch versucht, Kraftstoff abzulassen, um ein zulässiges
Landegewicht herzustellen.
Während der Ermittlung der Unglücksursache galt ein Flugverbot für die anderen Maschinen vom Typ Il-62 der Interflug. Die Ermittlungen der Untersuchungskommission führten letztendlich zu dem Ergebnis eines Konstruktionsfehlers. Diese wurde aber vom OKB Iljuschin nie bestätigt. Infolge dieser Erkenntnisse wurden jedoch am Flugzeugtyp Il-62 vom Hersteller einige technische Veränderungen vorgenommen, zu denen der Einbau von zusätzlichen Brandmeldern und eines Sichtfensters in die Trennwand zum Heckraum zählten. Darüber hinaus wurden zusätzliche periodisch durchgeführte Kontrollen – sogenannte „Klimasonderkontrollen“ – angeordnet. Im nachfolgend wieder aufgenommenen Flugbetrieb mit der Il-62 traten dann keine Probleme dieser Art mehr auf.
Desweiteren gab es Spekulationen der westlichen
Medienl, die verbreiteten, die Maschine sei in ihre eigene
Kraftstoffwolke geflogen und so in Brand geraten. Alles das war haltloser Unfug,
wie immer unmittelbat nach solchen Unfällen in der Luftfahrt, wenn die
Boulevard-Presse glaubt, das müsse bereits am Abend aufgeklärt sein.
Offizielle Pressemitteilungen waren in der DDR immer nur sachlich knapp und
wohlweislich bedacht zurückhaltend abgefaßt (s.u.). |
Ein anderer Problemkreis war die Auseinandersetzung mit der damaligen
sowjetischen Seite. Vor allem dem Konstruktionsbüro Iljuschin, welche natürlich
nicht gerne bereit war, einen konstruktiven und technologischen Fehler
einzugestehen. Was sie offiziell auch nie taten, worauf Erich Honecker letztlich
persönlich, trotz der Kenntnis der Ergebnisse der Regierungskommission,
Stillschweigen verordnete.
Dennoch wurden von sowjetischer Seite im Laufe der
Zeit alle Vorschläge der deutschen Regierungskommission, im Ergebnis der
Untersuchung des Unglücks still und leise durchgesetzt.
Dazu gehörten
konstruktive Verbesserungen, wie der Einbau von Brandmeldern, sowie
arbeitstechnologische Veränderungen bei den Kontroll- und Wartungesarbeiten.
Grundlage dafür war die überaus fachkundige Arbeit der SLI- und INTERFLUG-Mitarbeiter in der Regierungskommission,
sowie die ausgezeichnete kriminaltechnische Unterstützung durch das Team von
Oberst Dr. Petranek bei der Ermittlung der wahren Ursachen des Unglücks.
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Die Trümmer der DM-SEA, der, in Königs Wusterhausen bei Berlin.
(Sammlung Horst Materna) |
Draufsicht der Reste der INTERFLUG DM-SEA am 14.
AUG 1972
(Sammlung Horst Materna) |
Weitere Bilder vom Unfallort der DM-SEA am 14. AUG 1972 (Bilder aus Original-Filmaufnahmen)
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Die linke Tragflächenwurzel der DM-SEA |
Der Cockpit Voice Recorder mit Tondrahtspulen der DM-SEA |
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Ein Hauptfahrwerk der DM-SEA |
Das abgebrochene Leitwerk der DM-SEA |
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Die ADN-Meldung zur Mitteilung der Regierungskommission zum Absturz der DM-SEA gesammelt von Helmut Munk |
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Dieser Artikel aus dem ND widerlegt die oft gehörte Meinung, die DDR hätte immer versucht den Unfall und die Ursachen weitgehend zu vertuschen.
Bereits einen Monat
nach dem Unfall war diese Mitteilung im Neuen Deutschland, dem
offiziellen Organ der Regierung und der SED zu lesen.
Die Ursachen werden hier
klar zugewiesen. Dem oft
in der westlichen Presse niedergeschriebenen Nonsens über den Einflug in die
eigene Kraftstoffnotablaßwolke, was dann zum Brand geführt hätte, wird hier
ebenfalls eine
klare Absage erteilt.
Diese klare Haltung der DDR hat später zu erheblichen
Kontroversen mit der sowjetischen Seite geführt.
Was hier als
"Regierungskommission" benannt wurde, war ein Mix aus Staatlicher Luftfahrtinspektion der DDR (inklusive den
benannten "Sachverständigen der ziv. Luftfahrt"), der Kriminalpolizei, um den geschätzten Dr. Petranek, und im
Hintergrund die Staatssicherheit.
Der Artikel wurde uns, vom Flugkapitän a.D. Horst Materna, ehemaliger Direktor Flugbetrieb Verkehrsflug, überlassen. |
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Die Trauer-Ecke für die 8 tötlich verunglückten Besatzungsmitglieder auf dem
Betriebsgelände der INTERFLUG. (Sammlung Horst
Materna) |
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Flugkapitän Heinz Pfaff,
(51 Jahre, Ingenieurökonom)
Herr Pfaff war seit 1956 bei der Deutschen Lufthansa/INTERFLUG.
Er hatte 8100 Flugstunden geflogen und dabei etwa 4 Millionen Flugkilometer
zurückgelegt. Er flog als Kapitän auf der Aero 45, der IL-14, der IL-18 und
mit deren Einführung seit 1970 auf der IL-62.
Seine relativ geringe Anzahl
von Flugstunden, gemessen am Dienstalter resultiert aus seinem
gesellschaftlichen Engagement. Herr Pfaff war zum Zeitpunktes des Absturzes
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung der INTERFLUG. Daneben war er Mitglied des Sekretariats der
SED-Kreisleitung der INTERFLUG, Mitglied des
Zentralvorstandes der IG Transport- und Nachrichtenwesen und Mitglied des
FDGB-Bundesvorstandes.
Er wurde mit der Fritz-Heckert-Medaille und fünfmal
als Aktivist der sozialistischen Arbeit ausgezeichnet. |
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Oberstewardeß Marlis Zidanik, (32 Jahre, Luftverkehrskauffrau)
Frau Zidanek war seit 1958 bei der Deutschen Lufthansa/INTERFLUG.
Sie flog 6880 Flugstunden und legte dabei fast 4 Millionen Flugkilometer
zurück.
Sie eignete sich auf allen Flugzeugtypen der INTERFLUG reiche Erfahrung an und entwickelte sich durch ihre
langjährige Tätigkeit zur Oberstewardeß. Sie wurde einmal als Aktivist des
Fünfjahrplans ausgezeichnet. |
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Copilot Lothar Walther, (35 Jahre, Ing. für Triebwerksbau)
Herr Walther war seit 1961 bei der INTERFLUG.
Er flog 6041 Flugstunden und etwa 3 Millionen Flugkilometer.
Herr Walther
entwickelte sich vom Bordingenieur zum Copiloten und erwarb sich besondere
Verdienste in der Neuererbewegung. |
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Brigadestewardeß Babara Scholz (31 Jahre, Luftverkehrskauffrau)
Frau Scholz war seit 1960 bei der INTERFLUG.
Sie flog 6395 Flugstunden und legte während dieser Zeit fast 4
Millionen Flugkilometer zurück.
Auf Grund ihrer reichen Auslandserfahrung
und ihrer guten Sprachkenntnisse wurde sie beizeiten als Brigadestewardeß
eingesetzt. Als gewähltes Mitglied der Gerwerkschaftgruppenleitung vertrat
sie die Interessen der Kollegen. |
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Navigator Achim Flilenius, (38 Jahre, Ing. für
Luftfahrtbetriebstechnik/Flugzeugführung)
Herr Filenius war seit 1955 bei der Deutschen Lufthansa/INTERFLUG.
Er flog 8570 Flugstunden und legte dabei etwa 3,6 Millionen Flugkilometer
zurück.
Durch seine hervorragenden Kenntnisse als Funker war er bekannt und
beliebt bei allen Flugsicherungskräften der sozialistischen Länder.
Auch
seine Frau, eine ehemalige Flugbegleiterin, war bei der INTERFLUG als Leherin für Sprachen beschäftigt. |
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Stewardeß Monika Atanassov, (28 Jahre, Handelskauffrau)
Frau Atanassow war seit 1966 bei der INTERFLUG.
Sie flog 2980 Flugstunden und legte dabei auf unseren INTERFLUG-Maschinen etwa 1,7 Flugkilometer zurück. Frau Atanassov war
frisch verheiratet. |
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Flugingenieur Ingolf Stein, (32 Jahre, Ing. für Flugzeugwartung)
Herr Stein war seit 1963 bei der INTERFLUG, zunächst in der Technik.
Er flog 2 258 Flugstunden und legte dabei etwa 1
Million Flugkilometer zurück.
Im Laufe seiner Entwicklung bei der INTERFLUG erwarb er sich einen reichhaltigen
Erfahrungsschatz an Wartungskenntnissen, was ihm ermöglichste, die moderne
Technik zu meistern.
Sein Kollektiv wurde dreimal mit dem Staatstitel
"Kollektiv der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet. |
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Stewardeß Gabriele Scheller (20 Jahre, Werkzeugmacherin)
Frau Scheller war erst seit 1970 bei der INTERFLUG.
Sie flog 710 Flugstunden und legte dabei etwa eine Strecke von 450 000
Flugkilometern zurück. Sie wurde als Mitglied eines Kollektivs der
sozislistischen Arbeit ausgezeichnet. |
Mit freundlicher Unterstützung durch Langstrecken-Navigator und
Lehrer für Navigation Helmut Munk, IL-62 Flotte |
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Eine Gedenkstätte für die Opfer befindet sich auf dem Friedhof der Gemeinde Wildau (Ortsteil Hoherlehme),
sie ist zugleich Sammelgrab für die 60 auf dem Stein namentlich genannten Opfer,
die nicht mehr identifiziert werden konnten. |
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An der Absturzstelle bei Königs Wusterhausen erinnert ein Gedenkstein an das Unglück. |
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