Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
29.08.2016


Revision 3.0
Knappe Thermocolorfarben

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Aus anderen Teilen meines Gesamtbeitrages geht hervor, dass Temperaturprobleme häufige Themen für mich waren, ob durch Undichtheiten oder Wärmestrahlung hervorgerufen. Im Falle von Ausfällen des Umformers PO-4500 im 3. Technischen Raum der TU-134 / A war anfangs unklar, ob Undichtheit eines Teiles der Klimaanlage (Wärmeübertrager, Druckbegrenzer, Rohrtrennstellen) oder die durch Wärmestrahlung allgemein schon sehr hohe Raumtemperatur bei mehrstündigen Flügen zum Geräteausfall führten. Für die zu ergreifenden Maßnahmen war das grundlegend zu klären.

Nun war der 3. Technische Raum der TU-134 / A als Einbauort wegen seiner Lage im unhermetischen Rumpfbereich ohnehin während des Fluges nicht zugänglich. Außerdem bot dieser Raum wegen der vielen eingebauten Gerätekomplexe der Klima- und Elektroanlagen auch am Boden kaum Platz für eine Kontrollperson. Schließlich verbot der Arbeitsschutz einfach während eines TW-Laufes bestimmte Überprüfungen auch wegen der möglichen Lebensgefahr.

Thermocolorfarben / Temperaturmessfarben
Das sind in der Regel Schwermetalle enthaltende Farbstoffe, die Temperaturveränderungen durch Farbumschlag bzw Farbtonveränderungen anzeigen. Für bereits warme oder heiße Teile können Stifte genutzt werden, die auf zu prüfende Oberflächen abgestrichen werden. Bei anfangs kalten Oberflächen werden gebundene Pulver bzw Farben verstrichen, die sich je nach Zusammensetzung bei nachfolgender Erwärmung später bleibend oder reversibel verfärben. Anhand von Anwendungsblättern kann über den Farbton die erreichte Temperatur bestimmt werden.
Durch Auswahl einer Farbe mit bleibendem Mehrfachfarbumschlag (z. B. wie im Titel weiß – grün – blau) konnte die Anwendung noch verfeinert und der Informationsgehalt erhöht werden. Es konnte unterschieden werden, aus welcher Richtung der Temperatureinfluß einwirkte oder ob das Gerät beim Betrieb evtl. durch Eigenwärme, also von innen, überhitzt wurde.

Für solche Bereiche boten sich in den 80-er Jahren bereits Thermocolorfarben als Indikatoren an.
Für mich waren damals Pulverfarben interessant, weil diese mit Spiritus angerührt, vor einem Flug auf Rohrleitungen, beheizte Nasenkanten, Behäutung von Rumpf und Trag- oder Leitwerken aufgetragen werden konnten.
Nach einigen Überlegungen und Recherchen war klar welches Produkt ich brauchte und wer als Lieferant infrage kam, damals eine namhafte Nürnberger Firma!
Damit war natürlich auch sofort wieder das DDR-Standardthema der knappen Devisen und meiner nicht bilanzierten Vorstellungen und Wünsche im Spiel. Aber ein Jahr vorher habe ich von meinem Vorhaben noch nichts gewusst und deshalb auch keinen Importantrag auf den Weg bringen können. Zumindest wusste ich aber, wo dieses Zeug vorhanden sein könnte: beim GHK Chemie in der Chausseestr. in Berlin-Mitte. Mit einem üblichen Wirtschaftsvertrag unserer IF Materialwirtschaft in der Tasche fuhr ich dorthin, um meinen Einkaufsversuch zu starten.

Vor Ort trug ich meine Wünsche vor. Wie befürchtet erklärten mir die Frauen: ohne vorherige Bilanzierung ist nichts drin. Auch meine Frage nach möglichen Abnehmern im Berliner Raum, die ich evtl. ansprechen könnte, wurde mir nicht beantwortet. Ich hatte aber ein günstiges Zeitfenster erwischt. Die Lagerfrauen wollten gerade ihre Mittagspause beginnen und da ich weiter drängelte, bekam ich plötzlich die Möglichkeit in ihrer Abwesenheit die Lagerstammkarte zu sehen. Nur 3 Großkunden waren darauf verzeichnet:

ein großes Chemiekombinat im Raum Halle / Leipzig

verständlich,Vorgänge in Reaktoren müssen kontinuierlich ablaufen bei möglichst gleichbleibenden Temperaturen, von außen mit Thermocolor sehr gut zu beobachten
die NVA natürlich anonym geführt, wie die Frauen aber erzählten wurden die Farben bei den Raketentruppen verwendet
das MfS war schließlich fast immer bei knappen Artikeln im Spiel

Meine Gesprächspartnerinnen wollten mich wohl loswerden. Es wurde ein Auge zugedrückt und ich bekam schließlich aus den Regalen der Großkunden meine 4 mal 80 g Pulver verschiedener Sorten!

Glücklich und zufrieden fuhr ich mit meinen paar Hundert Gramm „Goldstaub“ zum Flughafen nach Diepensee. Damit und dem Wissen aus der Herstellerinformation war ich in der Lage nach ein paar Erprobungsversuchen eine Ingenieuranweisung für die Anwendung auch in anderen Fachbereichen herauszugeben.

Die erste praktische Anwendung erfolgte in meinem Falle bei der Untersuchung der Temperaturverhältnisse im 3. Technischen Raum der TU-134 / A bezüglich der Einflüsse auf die Wechselstromumformer. Dafür suchte ich einen möglichst langen Linienflug, den ich im Cockpit mitfliegend von Anfang bis Ende auch begleiten konnte. Dafür war der Turn SXF – BOJ – DRS – SOF – SXF mit Besatzungswechsel in Dresden an einem Tag ideal nutzbar. Um den normalen Zustand der Klimaanlage zugrunde legen zu können, war Bedingung, dass die Maschine vorher eine Wartung mit üblicher Dichtheitsüberprüfung durchlaufen hatte. Auf das Umformergehäuse hatte ich vor dem ersten Start in Berlin gitternetzartig Thermocolor verstrichen und sah nach jeder der 4 Landungen durch Farbumschlag die vorherige Temperaturverteilung abgebildet. Nach jeder Landung kontrollierte ich den Umformerbereich und protokollierte für die spätere Auswertung alle Veränderungen sowie Flugdauer und Daten zum Betrieb der Klimaanlage.
Nach einer Wiederholung dieser Aktion stand durch die Auswertung eindeutig fest:

Das Temperaturniveau im Einbaubereich war im Normalfall bereits so hoch, dass ein weiterer Temperaturanstieg im Technikraum z. B. durch geringe Undichtheiten in der Summe ausreicht, um technische Probleme im Bereich der „aufquellenden“ und sich dadurch verklemmenden  Kohlebürsten des Umformers zu verursachen.

Deshalb waren unsere Änderungsvorschläge an das OKB, die anschließend im Rahmen des Bulletins 2020 ausgeführten Massnahmen und verschiedene zusätzliche IF-Änderungen unumgänglich.

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