Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
06.06.2017


Revision 3.0
Navigation bei Nordatlantikflügen

Ergänzungen zur Navigation bei IL-62-Nordatlantikflügen der Interflug von Reiner Scope

Seit August 1973 flog IF mit IL62 über den Atlantik nach Amerika. Havanna, aber auch New York und Gander waren die ersten Ziele. Damals gab es noch keine besonderen Anforderungen an die Navigationsgenauigkeit bei der Atlantiküberquerung.
Da die Kombination von Kurssystem, Doppler und Navigationsrechner NW-PB als einfaches System für mehrere Tausend Kilometer ohne jegliche Funknavigation zu unsicher war, entschloss sich IF zur zusätzlichen Nutzung von Loran A. Was Bombern im 2.Weltkrieg diente, half auch Interflug.

NAT westwärts am Tag
Nordatlantik-Tracks westwärts am Tage

Da der Nordatlantikverkehr mit Strahlverkehrsflugzeugen immer mehr zunahm, alle Airlines vormittags von Europa westwärts und abends ostwärts flogen, dazu alle nach ökonomischen Flughöhen (FL 310-390) strebten und mit wenig Gegen- aber viel Rückenwind fliegen wollten, bedurfte es einer umfassenden Strukturreform des Atlantikflugverkehrs.

Per 29.12.1977 wurde nach langer Testphase (in die auch die ersten IF-Flüge fielen) im Nordatlantik ein spezieller Luftraum mit besonderen Anforderungen an die Navigationsgenauigkeit geschaffen – der NAT-MNPS (NAT – Minimum Navigation Performance Specification).

NAT ostwärts in der Nacht
   Nordatlantik-Tracks ostwärts bei Nacht

Hier einige Charakteristika des NAT-MNPS:

  • Horizontale Ausdehnung von 27 Grad Nord bis zum Nordpol und von 10 Grad bzw. 15 Grad West bis an das Festland Kanadas/USA
  • Vertikale Ausdehnung von FL 275 bis FL 400 (heute sogar bis FL 420)
  • Einführung von Tagestracks (11.30 Uhr - 18.00 Uhr bei 30 Grad W westwärts) und Nachttracks (01.00 Uhr – 08.00 Uhr bei 30 Grad W ostwärts bei Verwendung gleicher Flughöhen ost- und westwärts
  • Seitenstaffelung: 1 Grad, d.h. 60 nautische Meilen (hier flog der „Nachbar“ auf gleicher Höhe in gleicher Richtung!!!)
  • Längsstaffelung: 10 Minuten Abstand (in der Übergangsphase vorher 15 Minuten) bei Anwendung der Machzahltechnologie, d.h. die von der Flugsicherung angewiesene Machzahl von beispielsweise M .82 muss eingehalten werden
  • Benutzung von zwei funktionstüchtigen Langstreckennavigationssystemen, die von ICAO empfohlen und vom Registrierstaat genehmigt sein müssen. Damals:
    • INS bzw. IRS (Trägheitsnavigationssysteme)
    • VLF Omega (Längstwellenhyperbelnavigation)
  • Verwendung zweier unabhängig voneinander arbeitende Höhenmesssysteme
  • Einsatz von trainierten Crewmitgliedern mit entsprechendem Lizenzeintrag NAT-MNPS ( bei IF waren das die Navigatoren)

Es gab weitere Bestimmungen für das Verhalten in Notfällen, bei Ausfall von Navigationsgeräten vor oder im NAT-MNPS, für den Funkverkehr und den Einsatz des Transponders. Die Einhaltung aller Regeln wurde von der Flugsicherung überwacht und Verstöße der Aufsichtsbehörde des Registrierstaates mit Auflagen mitgeteilt. Im schlimmsten Fall drohte der Ausschluss von der Benutzung des NAT-MNPS – der ökonomisch effektivsten Möglichkeit der Atlantiküberquerung nach Nordamerika und zurück nach Europa.

Dank guter Arbeit am Gesamtprojekt seitens der zuständigen Kollegen der Flugtechnik und durch die Besatzungen der IL-62 Flotte gab es meiner Erinnerung nach in den vielen Jahren der Atlantikfliegerei nur extrem wenige Beanstandungen für Interflug.

Es handelte sich um geringe Abweichungen von der vorgegebenen Machzahl nach Verlassen des NAT-MNPS. Mir ist auch eine gemeldete seitliche Abweichung von 15 NM am Exitpoint in Erinnerung – im Vergleich zu heute, wo mit modernster Technik navigiert wird, nahezu eine Meisterleistung aller Beteiligten.

Darstellung des Nordatlantik-MNPS-Luftraumes

Anmerkungen:

Da mit 1 Grad (60NM) seitlichem Abstand parallel geflogen werden konnte, wurde es gefährlich, wenn jeder 30 NM zum anderen hin unbemerkt abwich. Deshalb wurden Navigationsfehler ab 15 NM der Luftfahrtbehörde des Registrierstaates zur Untersuchung gemeldet.

Obwohl die seitlichen und die Längsabstände heute noch gelten, wurden die Höhenabstände inzwischen halbiert. Galten früher allgemein 2000 Fuß Abstand zwischen den Flugflächen (FL 290, 310, 330 usw.) so sind es heute nur noch 1000 Fuß im Rahmen der reduzierten Höhenstaffelung. Im Ergebnis dessen können doppelt so viele Flugzeuge nahe der optimalen und ökonomisch effektiven Höhe fliegen. (Die beigefügten Kopien der NAT-Tracks sind aus heutiger Zeit. Deshalb sind dort auch die früher unüblichen Höhen FL 320, 340 usw. zu sehen. Die 3. Kopie zeigt den NAT-MNPS in seiner Ausdehnung)

zurück