Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
01.03.2015


Revision 3.0
Ausbildung der Flugtechnik

Ausbildung des technischen Personals des IF-Verkehrsfluges im November/ Dezember  1969 in Moskau

Am 9.November 1969 trafen sich die Lehrgangsteilnehmer des IL-62-Grund1ehrganges an der Ausreisehalle des Schönefelder Flughafens. Für diese 66 Passagiere nach Moskau hatte INTERFLUG zusätzlich eine IL-18 bereitgestellt. In dem 6-wöchigen IL-62 Lehrgang bei AEROFLOT in Moskau sollten alle technischen Details zur Instandhaltung und Handhabung des Flugzeugtyps IL-62 vermittelt werden.

Für die Mehrzahl der Lehrgangsteilnehmer war es die erste Moskau-Reise. Die Stimmung war gut. Der Flug nach Moskau und die Einreise auf dem Flughafen Scheremetjewo verlief planmäßig und reibungslos.
INTERFLUG hatte für unsere Unterkunft und den Transport in Moskau einen Vertrag mit dem staatlichen sowjetischen Reisebüro „Intourist“ abgeschlossen. Somit waren alle Transportprobleme gelöst.


Unser Lehrobjekt: eine IL-62 der Aeroflot
am Abfertigungsfinger in Scheremetjewo

Unser Quartier für den 6 Wochen-Lehrgang das Hotel "UKRAINA"

Dieses Hotelhochhaus in einer günstigen Verkehrslage am Kutusowskij Prospekt ist ein markanter Bau aus der Stalinzeit. In den 24 Stockwerken sind über 1000 Betten in hohen Zimmern untergebracht. Im zehnten Stockwerk befand sich das damalige erste INTERFLUG-Stadtbüro. Ich teilte das Hotelzimmer mit Heinz Stiller. Moskau kannten wir beide nur von Fernseh-Sendungen. So trieb es uns natürlich kurz nach der Zimmerbelegung in das Zentrum von Moskau

Erster Unterrichtstag in der Fliegerschule der AEROFLOT am Moskauer Flughafen Wnukowo


Mit zwei rustikalen Autobussen erreichten wir nach 60 Minuten Fahrzeit das Schulobjekt am Flughafen Wnukowo.
Der Moskauer Aeroport Wnukowo liegt 38 km südwestlich vom Stadtzentrum.
Dort herrschte eine strenge fast militärische Ordnung. Die ersten Unterrichtsstunden waren für uns ziemlich anstrengend. Die Lektionen umfassten die allgemeinen Konstruktionsdaten des Flugzeuges IL-62, die gemeinsam für alle Teilnehmer in einem größeren Raum vermittelt wurden. Wir lernten die Flugzeughauptabmessungen, die Raumaufteilungen im Rumpf, die Anordnung der Steuerelemente und die Auftriebsmittel,  sowie die aerodynamischen Bremsen des Langstreckenjets kennen. Durch viele Rückfragen und unzureichende Übersetzungen war der Unterricht zähflüssig. Sascha Neumann, als Dolmetscher, war oft überfordert und unsicher. Die vielen neuen Fachbegriffe führten dazu, dass er kapitulierte. Unsere Rita sprang für ihn ein und übersetzte schwierige technische Fachbegriffe souverän.

Haupt-Abmessungen und Aufteilung der Räume des Flugzeuges IL-62

Lage der Flughäfen Scheremetjewo und Wnukowo
Zum Unterricht gehörte, typisch für die Aeroflot, auch die Vermittlung aller Dimensionen,  Massen und flugtechnischen Parameter des Flugzeuges, Weiterhin lernten wir die konstruktiven Besonderheiten der Flugzeugsteuerung, des Kraftstoff- und Hydrauliksystems und der verstellbaren Höhenflosse kennen. Eine Besonderheit der IL-62 ist die Heckanordnung der vier Triebwerke. Dies machte eine einer Heckstütze sowie einen Wasserballastbehälter notwendig. Höhen- und Querruder werden durch Handkräfte, das Seitenruder durch einen hydraulischen Booster betätigt. Die Steuergestänge aller Ruder sind mit je einem Temperaturkompensator ausgestattet. In der oberen Abbildung ist die Anordnung der Ruder, Trimmruder, Landeklappen und Spoiler zu sehen.

Lehrstoff:


Das 400 Hz-Wechselstrom-Bordnetz in der IL-62

Das Bordnetz der IL-62 wurde mit dem Wechselstrom-Bordnetz dem internationalen Trend angepasst. Solide Kenntnisse über das neue 200/115 Volt 400 Hz-Wechselstrom-Bordnetz waren für alle Personen wichtig, die am Flugzeug arbeiteten. Zum Betrieb der IL-62 am Boden werden zwei Außenbord-Stromquellen benötigt: Eine 27-Volt-Gleichstrom-Versorgung (APA-50M) sowie ein 400 Hz-Drehstrom-Anschluß mit den Spannungen 206/118V/400 Hz + 60 kW Leistung  (PPTsch).
Während des Fluges wird das Bordnetz von vier Wechselstrom-Generatoren und verschiedenen Gleichrichterblöcken versorgt. Vier Akkumulatoren dienen als Reserve- und Notstrom-Quelle. Wenn alle vier Wechselstrom-Generatoren während des Fluges ausfallen, speisen die vier Akkumulatoren die Bordsprechanlage, die 1.UKW-Anlage, den Funkkompass und einen 750-Watt-Umformer.


Der linke Teil der Energie-Kontrolltafel „024“ am Funkerplatz im Cockpit zum Einschalten der Außenbordstromquelle

Kulturelle Betreuung am Wochenende durch Intourist


Stadtrundfahrt und Besuch der Allunionsausstellung (WDNCH) im nördlichen Teil von Moskau. In 80 Pavillons vermittelt die Ausstellung einen Überblick über die Errungenschaften der UdSSR auf den Gebieten der Landwirtschaft, Industrie und Technik. Für uns war von besonderem Interesse die Raumfahrt. Ein weiterer Anlaufpunkt war der Moskauer Fernsehturm.


Auf dem Gelände der Allunions-Ausstellung



Techniker der drei Fachbereiche Elektro, Funk und Geräte
am 15.11.69 vor der Abfahrt zur Stadtbesichtigung
Der fachspezifische Unterricht über die Funkausrüstung der IL-62

Nach dem 10. Unterrichtstag über die Kraftstoffsysteme begann für die 12 köpfige Funkergruppe der Unterricht über die Wechselsprech- und Passagier-Ansprechanlage SPGS-1. Weitere Themen waren die UKW-Anlage "LOTOS" und die Navigations- und Landeanlage KURS-MP-1.
Mit unserer Dolmetscherin Rita hatten wir großes Glück, denn sie verfügte über gute fachliche Kenntnisse.
Zu Missverständnissen kam es bei der Anlage KURS-MP, wo die Lehrmittel (farbige Zeichnungen) fehlerhaft waren. Unser verantwortlicher Fachlehrer war ein toleranter und humorvoller Ukrainer. Er war Fußballfan des berühmten Sportklubs Dynamo Kiew. Montags wurden deshalb zuerst die Fußballergebnisse ausgewertet.
An der Schule herrschte Ordnung und strenge Disziplin. Bemerkenswert war das preiswerte und geschmackvolle Mittagessen in der Schulkantine. Der Preis pro Menü lag bei zwei Rubel.

Die Funkergruppe (ohne G. Berger) mit 2 Lehrern und der Dolmetscherin Rita am Eingang der Fliegerschule
Im Blickpunkt: Bordanlagen Kurzwellen-Station "Prisma" und Radiokompaß ARK-11

Die KW-Anlagen dienen dem weltweiten Funkkontakt zwischen dem Luftfahrzeug und den Bodenstellen.
Bei der Anlage "Prisma" wird in der Betriebsart A3 die Einseitenband-Modulation angewendet. Damit eine maximale Ausgangsleistung erreicht wird, erfolgt für jede Frequenz eine automatische induk­tive und kapazitive Anpassung der Antenne an die Sender-Endstufe. In dieser Modulationsart, wo mit unterdrückter HF-Trägerfrequenz gearbeitet wird, ist es möglich, eine höhere Te1efonie1eistung abzustrahlen. Gegenüber den älteren Verfahren (mit HF-Träger) ergibt sich an der Sende-Antenne ein Leistungsgewinn mit dem Faktor 4 und am Empfangsort die doppelte Signalspannung. In der KW-Station werden jedoch sehr hohe Forderungen an eine konstante Frequenz am Sender- und Empfängeroszillator gestellt.
Die Navigationsanlagen ARK-11 arbeiten im Mittel- und Langwellenbereich zum Empfang der Funkfeuer auf den Luftstraßen. Heute sind es die zuverlässigeren UKW-Funkfeuer, die vorwiegend für die Navigation und zur Landung genutzt werden. Bei den sowjetischen Flugzeugen gehören zwei Radiokompassanlagen zur Standardausrüstung. Im Flug erfolgt eine automatische Azimut-Daueranzeige in Bezug auf die Flugzeuglängsachse in Richtung des gewählten Funkfeuers. Mittels Phasenvergleich wird über einen Stellmotor die Rahmenantenne gedreht, bis die Rahmenspannung in eine Minimumstellung läuft und diese Stellung automatisch beibehalten wird.

Unterricht zum Ton-Aufzeichnungsgerät MS-61, sowie über die Sekundär-Radaranlage SOM-64 (Transponder)


Das Tondrahtgerät MS-61 dient der Aufzeichnung der Gespräche mit den Bordfunkanlagen während des Fluges und damit primär zur Aufklärung von Flugvorkommnissen.
Die Transponderanlage SOM-64 ist ein Hilfsmittel für die Fluglotsen, um die stetig wachsende Verkehrsdichte in den Lufträumen zu bewältigen und einzelne Flugzeuge zu orten. Die bordeigene Transponderanlage wird vom Boden abgefragt und arbeitet je nach Betriebsart selbständig. Zur Transponder-Anlage gehört die Sende-/Empfangsantenne, die an der Unterseite des Rumpfes angebracht ist. Weitere Komponenten dieser Anlage sind der Abfrageempfänger mit Dekodiereinrichtung, das Bedienteil und der Antwortsender mit Kodiereinrichtung. Die Bodenanlage sendet Abfrageimpulse mit der Betriebsfrequnz von 1030 MHz aus. Über die gleiche Betriebsfrequenz antwortet das Bordgerät (Transponder). Die Antwort wird am Boden ausgewertet und beim Fluglotsen zur Anzeige gebracht.
Vereinfachtes Blockschaltbild zur aktiven Ortung der Flugzeuge mittels der Rundsicht-Sekundärradaranlage.
Der Transponder im Flugzeug antwortet über die Frequenz 1090 MHz entsprechend dem vereinbarten Moduscode. Hierbei wird die Transponderantwort als Striche oder Balken auf dem Radarbild des Fluglotsen dargestellt. Modus B dient zivilen Kontro11zwecken. Im Modus C wird die Flughöhe abgefragt und beim Fluglotsen ange­zeigt. Die jeweilige Flughöhe des Flugzeuges wird als Zahlenwert auf dem Bildschirm dargestellt.

Mit INTOURIST am 22.11.69 bei Wladimir Iljitsch Lenin und in der Rüstkammer


Nachdem wir den gläsernen Sarkophag Lenins passiert hatten, wurde über den Zugang Glockenturm die Rüstkammer aufgesucht. Dieses Kremlmuseum mit den riesigen Schätzen gehört zu den bedeutendsten Museen der Welt. Ende des 15.Jhs. ließ Iwan III. um das 28 Hektar große Festungsgelände mit den Kathedralen und Kirchen eine 2235 Meter lange Backsteinmauer errichten. Das wunderbare Ensemble des Kathedralenplatzes mit seinen 50 Kuppeln liegt an höchster Stelle des Kremls. In der Maria-Himmelfahrts-Kathedrale  (Uspenskij Sobor) mit den 42 m hohen Kuppelbauten kann man den Thron von Iwan des Schrecklichen besichtigen. Gegenüber liegt die Verkündigungs-Kathedrale  (Blagoweschtschenskij Sobor). Diese kleine neunkuppelige Kirche war die Haus- und Lieblingskirche der Zaren. An den Wänden und Kuppeln befinden sich Fresken mit historischen und biblischen Szenen. Sehenswert ist ebenfalls die Erzengel-Michael-Kathedrale, die in den Jahren 1505 - 1508 entstand. Sie war die Grabkirche der russischen Zaren.
Den Kathedralenplatz rundet der Glockenturm von Iwan dem Großen ab. Unter Nikolaus I. war 1838-49, im klassizistischen Stil der Große Kremlpalast entstanden.  Er hat 700 Räume und war damals Tagungsort des Obersten Sowjets. Der prunkvollste Saal ist der Georgensaal mit 1250 Quadratmetern Größe


Die Bordwetterradaranlage RSPN-3 und Dopplerradaranlage DISS-3P


In der 5.Woche unterrichtete uns eine Lehrerin zum Fach Radartechnik. Die vollbusige Fachfrau verfügte über gute theoretische Fachkenntnisse der Impulstechnik. Unser Lehrobjekt, die Anlage RSPN-3, war ein verbesserter Anlagetyp "Emblema", der bei INTERFLUG schon lange im Einsatz war. Unsere Experten Otto Steiner und Peter Quittel stellten spezifische Fragen an sie. Es gab keine Antwort von ihr. Am nächsten Tag fehlte unsere Lektorin wegen Erkrankung ihrer Kinder.
Otto Steiner wurde von unserem Vorturner G. Berger als Ersatzlehrkraft eingesetzt. Obwohl Otto's Unterricht über die Radar-Anlage RSPN-3 für uns effektiv war, störte Peter Q. ständig den Unterricht durch Besserwisserei.
Unser ukrainischer Lehrgangsleiter vermittelte anschließend den Lehrstoff über die Anlage DISS-3P. Das Dopplerradar ist ein Bordgerät, das elektromagnetische Energie gebündelt in Form von drei oder vier Strahlen schräg zum Erdboden strahlt. Durch die Eigengeschwindigkeit des Flugzeuges weicht die Frequenz der vom Erdboden zurückgestrahlten Schwingungen um einen gewissen, von der jeweiligen Geschwindigkeit des Flugzeugs abhängigen Betrag von der Frequenz der abgestrahlten Schwingungen ab (Dopplereffekt / Dopplerfrequenz). Aus dieser Frequenzänderung kann auf die jeweilige Geschwindigkeitskomponente in Längs- und Querrichtung des Flugzeuges geschlossen werden.
Über Bordrechner können aus diesen Daten alle den Navigator interessierenden Werte für seinen Flug von A nach B errechnet werden.  Zum Beispiel: Von A zurückgelegter Weg; Restdistanz bis B, Versetzung vom geplanten Kurs, neuer Kurs bis B, Position


vx Geschwindigkeitskomponente in Richtung Flgz.-Längsachse
vy Geschwindigkeitskomponente in Richtung Flgz.-Querachse


Die sowjetische Navigationsanlage SD-67


Die Anlage dient als Entfernungsmessgerät DME (Distance Measuring Equipment). Am Anzeigegerät wird dem Navigator beständig die Entfernung  (Schrägentfernung) zu der von ihm gewählten Station angezeigt. Diese Anlage arbeitet im Frequenzbereich von 962 bis 1213 MHz mit 1 MHz Kanalabstand.
Wenn der Navigator eine VOR/ILS-Bodenstation wählt, dann sind die DME-Kanäle der VOR- bzw. ILS-Frequenz automatisch zugeordnet. Beide Anlagen (bord- und bodenseitig) bestehen aus Sendern und Empfängern mit Kodier- und Dekodiereinrichtungen sowie Antennen, die für Senden und Empfang benutzt werden.

Arbeitsweise:
1. Der Abfragesender (bordseitig) erzeugt Doppelimpulse, die über Sender und Antenne abgestrahlt werden. Gleichzeitig werden Messimpulse an eine im Bordgerät vorhandene Auswerteschaltung gegeben.

2. Die Abfrageimpulse werden in der Bodenstation aufgenommen und dekodiert. Nach Passieren eines Verzögerungsgliedes werden die Impulse erneut zu Doppelimpulsen verschlüsselt und dem Bodensender zugeführt.

3. Die Bordanlage empfängt die Antwortimpulse. Nach der Dekodierung werden sie in Einze1impulse verwandelt und der Auswerteschaltung zugeführt, um somit die Entfernung des Flugzeuges zur Bodenstation zu ermitteln.

4. Die Impulslaufzeit wird gemessen und als Maß für die Entfernung des Flugzeuges zur Bodenstation ausgewertet.


Arbeitsprinzip einer DME-Boden-/Bordanlage


Mit INTOURIST auf den Spuren von Napoleon in Moskau


Auf einer Anhöhe am Ende des Kutosowskij-Prospekts hatte Napoleon 1812 haltmachen lassen, um auf eine Abordnung Moskauer Bürger zu warten. Hier wurde 150 Jahre später das Borodino-Panorama-Museum eröffnet. Es soll an die Schlacht um Borodino erinnern,  wo General Kutusow Napoleons Truppen geschlagen hatte.
Auf einem Monumentalgemälde des Malers Roubaud ( 115 Meter Lang und 15 Meter hoch) wird das Kampfgelände wir1ichkeitsnah räumlich dargestellt und der Besucher optisch in die Kampfhandlungen einbezogen. Außerhalb des Museums befindet sich der Triumphbogen von 1834. Ein Obelisk in der Nähe des Museumseinganges dient als Gedenkstein für das Massengrab der 1812 gefallenen Soldaten. Diese Allee, die den Namen des General-Feldmarschalls M.S.Kutusow trägt, führt von hier bis zur Moskwa-Brücke mit dem Hotelkomplex des Hotels UKRAINA. Als Verlängerung bis zur Lenin-Bibliothek im Stadtzentrum dient der Kalinin-Prospekt mit den 25-stöckigen Hochhäusern aus der Chrustschow-Zeit.
Unterhalb der Hochhäuser befanden sich einige Läden: links das Dom-Knigi und der Schallplattenladen Melodija, rechts Moskaus größtes Restaurant Arbat mit der Weltkugel auf dem Dach. 600 m weiter befindet sich der Arbatplatz mit dem Restaurant Prag und dem Kino. Vom Arbatplatz aus gut sichtbar, steht die, kleine fünfkuppelige Kirche Simeon-Sty1ites aus dem 17.Jh.

Blick auf den Kalinin-Prospekt


Endspurt für die deutschen Schüler in der Fliegerschule Wnukowo


Am 16.Dezember 1969 war Prüfungstag für die Lehrgangsteilnehmer der INTERFLUG. In unserer Gruppe wurden die Kenntnisse über die elf Flugzeug-Bordanlagen der Funknavigation, Radar- und Kommunikations-Technik geprüft. Die Prüfung erfolgte in seminaristischer Form. Hier glänzten unsere Experten mit ihren Fachkenntnissen über analoge militärische Anlagen. Ich hatte mir zur Prüfungsvorbereitung Kurznotizen angefertigt und am Vorabend mit meinem Zimmerkollegen Heinz St. über die Arbeitsprinzipien der Anlagen diskutiert.
Die IF-Lehrgangs1eitung hatte unsere Lehrkräfte der Fliegerschule am 18.12. in das Hotelrestaurant eingeladen. Dort wurde der Lehrgang bewertet und die Zeugnisse übergeben. Abends fand die Abschlussfete statt. 24 Stunden später transportierte uns eine IL-18 nach Schönefeld. Dort wurden wir von unseren wachsamen Zöllnern kontrol1iert. Die Mehrzahl unserer Kollegen musste für ihre Mitbringsel Einfuhrzoll entrichten.

IL-62-Praktikum im April 1970 in Moskau

Am 5. April 1970 waren 10 Mitarbeiter der Abt. Funk unterwegs nach Moskau, um in der Flugzeugwerft (ATB) Scheremetjewo die Instandsetzung der funktechnischen Anlagen des Flugzeugtyps 11-62 kennenzulernen. Zum Ausbildungsziel gehörten aber auch die Handhabung des Lfz-Bordnetzes und die Überprüfung der Bordanlagen im Flugzeug. Für diese Aktion, die unter der Leitung von Ing. Manfred Staub stand, waren zwei Wochen vorgesehen. Unsere Unterkunft war wieder das Hotel "Ukraina" am Kutusowskij-Prospekt,  wo wir als Gäste beim Hotelpersonal bereits gut bekannt waren.


Anlaufschwierigkeiten in der ATB Scheremetjewo am 6.April  1970


Zunächst gab es für die Ausländer aus der DDR eine längere Wartezeit am Eingangstor der Flugzeugwerft. Beharrlich, jedoch mit Humor, klärte unser Vorturner Manfred Staub alle Schwierigkeiten und Missverständnisse auf. Irgendwo war unsere schriftliche Anmeldung in der Verwaltung hängengeblieben. Schließlich erhielten wir einen verantwortlichen Betreuer, der alle Weichen zum Betreten des Betriebsgeländes und der Gebäude stellte. Von einer effektiven Einweisung konnte vorerst keine Rede sein, wenn zehn Personen jeweils an einem Prüfplatz stehen, um den russischen Kollegen über die Schulter zu sehen. Am fo1genden Tag hatte unser Betreuer unsere Wünsche realisiert. In kleinere Gruppen aufgeteilt konnten wir an den einzelnen Prüfständen mitwirken.
Ungewöhnlich für uns waren die Größe der Werkstatträume und die Anordnung der Prüfplätze. Im Gegensatz zur Werft in Diepensee dominierten in der ATB Scheremetjewo sehr große Räume mit den Prüfplätzen als Raumteiler.
Ein zweites Merkmal war, dass die Einzelgeräte einer Anlage nicht separat überprüft wurden, sondern stets praxisnah im Zusammenhang mit den anderen dazugehörigen Geräten der jeweiligen Anlage. Unser Ziel war es, die Arbeitsweise von allen elf funktechnischen Bordanlagen der IL-62 praxisnah innerhalb einer Woche kennenzulernen. Mit viel Mühe und Ausdauer konnten wir ohne zusätzliche Dolmetscher, wenn auch mit einigen Abstrichen, dieses Ausbildungsziel erreichen.

Unser Hotelzimmer

Wochenende in Moskau

Ein Ausspruch des Historikers Karamsin aus dem 18.Jahrhundert war auch im April des Jahres  1970 noch aktuell: "Wer in Moskau war, kennt Russland!“ Moskau hat über hundert Museen. Hier die richtige Wahl zu treffen, ist von den Interessen und von der vorhandenen Zeit abhängig. Wir hatten uns für die Tretjakow-Ga1erie entschieden, wo sich eine der größten Sammlungen russischer und sowjetischer Kunst befindet. Der reiche Kaufmann Pawel Tretjakow hatte 1856 die Grundlage für das Museum geschaffen. Er hatte die Idee zu einer Nationalgalerie und schenkte 1892 seine umfassende Sammlung der Stadt Moskau. Weiterhin hatten wir uns Eintrittskarten für das Zentrale Puppentheater in der Uliza Sadowaja-Samotjotschnaja besorgt. Leiter dieses Theaters ist der berühmte Puppenspieler Sergej Obraszow. In diesem Theater kommt man ohne Sprachkenntnisse auf seine Kosten. Die Akteure verwenden dort Phantasiesprache mit vielen Internationalismen. Es gilt als das beste Puppentheater in Europa und bereitet auch Erwachsenen ein großes Vergnügen. Humor und Satire beherrschten die Aufführung. Per großem Chor kam es zu einem Dialog zwischen einer anspruchsvollen Sängerin und deren Pianisten.

Die Gebäude der Tretjakow-Galerie wurden 1902 an Stelle des Wohnhauses von Tretjakow, nach Entwürfen des Malers Viktor Wasnezow im altrussischen Märchensti1, gebaut. In der Galerie sind an die 50000 Exponate vom 12.Jht. bis zum 20.Jh. untergebracht.


Verzögerung beim Praktikum am Flugzeugobjekt


In der zweiten Woche sollten wir die Einbauorte der Geräte von Funk- und Navigationsanlagen im Flugzeug IL-62 kennenlernen. Eine Maschine vom Typ 11-62 stand uns jedoch nicht zur Verfügung. " Wsjo budjet - Alles wird werden " Geduld üben und Ruhe bewahren. Unser Betreuer überbrückte die Situation, indem er es möglich machte, dass wir das PTL-Langstreckenverkehrsflugzeug Tu-114 besichtigen durften. Die Tupolew Tu-114, seit  1961 bei AEROFLOT im Liniendienst, hat eine Reichweite von 9000 km mit voller Nutzlast. Ungewöhnlich die Höhe des Bugfahrwerkes, bedingt durch die sehr großen Luftschrauben der 4 PTL-Triebwerke.  An jedem Triebwerk laufen zwei vierblättrige Propeller koaxial gegenläufig. Über eine Gangway gelangten wir in die vordere Passagierkabine mit der Kabinenbreite von 3,70 m.  Zum Betrieb dieser PTL-Langstrecken-Maschine sind 5 Mann im Cockpit nötig.  Angetrieben wird die Maschine von 4 PTL-Triebwerken Kusnezow NK-12 mit  je 14 800 PS.


Anmerkung: Das Triebwerk NK-12 war eine deutsche Entwicklung aus den Jahren 1950 bis 1953 unter der Leitung von
Ferdinand Brandner in Upra an der Wolga. Es war eine Weiterentwicklung des Triebwerkes Jumo PTL 022


Unterricht in einer Iljuschin IL-62 der Aeroflot


Montagmittag hatten wir endlich Zugang zu einer IL-62. Schrittweise lernten wir zunächst die Einbauorte der einzelnen Geräte in der geräumigen IL-62 kennen, die im Cockpit und den Gerätegestellen hinter den Gleichstromtafeln untergebracht sind. In einem Gerätegestell in einem Funkraum im Heckteil sind die Geräte der Kurzwellen- und UKW-Anlagen leicht zugänglich. Weitere Anlagen befinden sich in dem Raum unter der Bordküche und auf der Backbordseite des vorderen Frachtraumes, um eine kurze Verbindung zwischen den Geräten und den Antennen zu.ermög1ichen. Die Zuordnung der Sicherungsautomaten mit der großen Anzahl der Einschalthebel an den Stromtafeln sowie an der Decke des Cockpits war zunächst verwirrend, und nur mit den eigenen Notizen zu finden.
Für die Lehrgangsteilnehmer Funk waren natürlich die Geräte- und Bedientafeln am Navigatorplatz sowie am Funkerplatz von besonderem Interesse.


Blick in das IL-62-Cockpit mit den Gerätepanelen und der Unterbringung der Geräte (Navigations- u. Landeanlage KURS-MP) auf der linken Seite


Einweisung zum Betrieb des Bordnetzes der IL-62


Eine sachkundige Bedienung des Außenbordgerätes PPTsch war wichtig, um das 400 Hz-Wechsel Stromnetz der IL-62 zu betreiben. Das Wechselstrom- und Gleichstrom-Bordnetz der IL-62 wird an der Energie-Kontro11tafe1 "024" im Cockpit zugeschaltet und überprüft.
Erläuterung zur gezeigten Kontrolltafel „024“:

Akkus einschalten
2  Bordnetz 27V einschalten
3  Wechselstrom 400Hz einschalten
4  Kontrolle 400 Hz
5 bis 12  Gleichrichterspeisung einschalten
13  Umformer PO-750 einschalten (Notschiene)
14  Kontrolle 115V Wechselspannung
               
I bis III  Kontrolle Phasenspannung 200V
V  Kontrolle der Gleichrichter
Zwischenstop in der Gorki-Straße
Nach dem täglichen Praktikum in der 30 km entfernten ATB-Werft Scheremetjewo wurde bei der Heimfahrt öfters die Einkaufsmeile in der Gorki-Straße aufgesucht. In der 42 m breiten Straße in Richtung Flughafen gibt es neben den modernen Hotels auch noch alte Prachtbauten von russischen Kaufleuten.

Ein Magnet für uns war die große Internationale Buchhandlung, wo man preiswerte deutschsprachige Bücher kaufen konnte, die oftmals in der DDR schnell vergriffen waren. In den 70er Jahren brauchte man in der SU nur 1/10 des üblichen DDR-Buchpreises entrichten. Die Gorki-Straße mit den großzügigen Geschäften war stets ein Treffpunkt für DDR-Dienstreisende. Die Einkaufszone für Film, Optik und Uhren sowie die Delikatessen-Läden erstrecken sich bis zum Puschkinplatz. Unweit des massiven Baus des Stadtsowjets, der 1782 für den Grafen Tschernischew gebaut wurde, führte eine schmale Geschäftsstraße in Richtung ZUM, dem zweitgrößten Kaufhaus Moskaus, unweit des Bo1schoi-Theaters. Eine sinnvolle Einrichtung für fußmüde Käufer sind die preiswerten Linientaxis in der Innenstadt von Moskau.

Innenausstattung des Delikatessenladens
„Jelissejew“ in der Gorki-Strasse, eine analoge Raumgestaltung findet man auch im Backwarengeschäft „Filippow“
Das Praktikumsumfeld

Die 3500 m lange Start- und Landebahn des Flughafens Scheremetjewo trennt den Airport in einen nördlichen und südlichen Teil. Die neueren Gebäude mit der Auslandsabfertigung und dem technischen Wartungsbereich (Werft) sind seit 1964 im nördlichen Teil untergebracht. Vor dem Ein- und Ausreisegebäude und den Anlagen der Werft erstreckt sich ein weiträumiges Vorfeld als Flugsteig. 1970 war ein Abfertigungs-Finger für 5 Standplätze in Betrieb. Unser Übungsobjekt befand sich auf einem Standplatz, zu dem die Passagiere per Omnibusse befördert wurden. In der langgestreckten Ein- und Ausreisehalle befanden sich zahlreiche Imbissstände und eine Gaststätte, die in der Mittagszeit oder bei längeren Wartezeiten von uns genutzt wurden.

 


Die Ein- und Ausreisehalle des Auslands-Abfertigungsgebäudes
im nördlichen Teil des Flughafen Moskau-Scheremetjewo


Flughafen-Scheremetjewo, Flugsteigvorfeld mit den Flgz.-Standplätzen
Wartungsarbeiten am Flugzeug IL-62

In den letzten Tagen des Praktikums wurde uns der Umfang der notwendigen Wartungsarbeiten vermittelt. Wir lernten die verschiedenen Kontrollarten des Fachgebietes Funk kennen. Von Interesse waren für uns die Kenntnisse der Prüf- und Reguliervorschriften für die einzelnen Anlagen sowie die Anwendung der Prüfgeräte.
Am letzten Unterrichtstag wurde von unserem Betreuer das Praktikum ausgewertet und das Zertifikat der Teilnahme übergeben.
Der schriftliche Nachweis für die Teilnahme an der praktischen Schulung zur Flugzeugwartung der IL-62 sowie der prüftechnischen Handhabung der Bordgeräte des Fachgebietes Funk

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