Autor: Gerd Ritter
Obwohl die erste IL-62 der INTERFLUG ja bereits am 21.04.1970 als DM-SEA in das Luftfahrtregister der DDR eingetragen wurde und am 22. April 1970 bei INTERFLUG in einer großen Zeremonie in Schönefeld im Südteil eintraf, erschien diese Lehrschrift erst im April 1981, um die Einführung in diese doch etwas anderen Navigationssysteme und -methoden für die Umschulungskurse zu erleichtern. Flugzeugführer und Navigatoren für die IL-62 kamen vorwiegend von der IL-18 und teilweise aber auch von der TU-134(A).
Die Flugzeugführer der TU-134 kamen zu einem Teil zuvor von der AN-24, hatten also noch nie mit Langstreckennavigation und ihren Anlagen zu tun gehabt.
Die INTERFLUG besaß bis 1981 8 Maschinen des Typs IL-62, davon bereits 3 in der Modifikation M. Eigentlich waren es 9 Flugzeuge, doch die DM-SEA war ja bereits im August 1972 verloren gegangen. Es kamen dann bis zum Ende der DDR noch 12 Maschinen des Typs IL-62M dazu, wovon aber 3 Flugzeuge zunächst aber an die sogenannte Regierungsstaffel der NVA (LSK/LV) ausgeliefert wurden (jeweils 1982, 1984 und 1987). Doch auch dort wurde diese Lehrschrift als Einführung in die Grundlagen wohlwollend akzeptiert.
Der Autor Dr. Peter Korell war in der Flugtechnologie des Flugbetriebes des Verkehrsfluges beschäftigt.
Die IL-62 unterschied sich hinsichtlich der Navigationsanlagen wesentlich von den anderen Flugzeugen der INTERFLUG, da sie die einzige Maschine war, die planmäßig auf echten Langstreckenflügen über Ozeanen und großen Wüsten eingesetzt werden konnte, bevor dann 1989 der Airbus A-310 angeschafft wurde.
Funknavigation versagt wegen der eingeschränkten Reichweite der Mittelwellen und Ultrakurzwellen über diese Gebieten. Eine von Bodenmitteln unabhängige magnetfeldbasierte Koppelnavigation mit einem Magnetkompasssystem ist zwar theoretisch möglich aber wegen der langen Strecken viel zu ungenau. GPS war damals zivil noch nicht verfügbar. Die klassischen Langstreckennavigationsverfahren waren die Langwellen-Hyperbelnavigation und die kreiselgestützte Koppelnavigation auf der Basis von Beschleunigungssensoren und Recheneinheiten. Die Grundlagen dieser beiden eingesetzten Langstreckennavigationsanlagen und –verfahren werden von Dr. Korrell in dieser Lehrschrift auf ca. 50 Seiten behandelt. Dabei handelt es sich zum einen um das INS – Inertial Navigation System I-11 und zum zweiten um das Norden Omega Navigation System ONS VII. Nach dem Studium dieser Grundlagen sollte der geneigte Leser dann auch in der Lage sein, die Betriebsanleitungen beider Anlagen besser zu verstehen (hier auf if.biz zum download abgeboten). Leider sind beide Anlagen nicht weiter im FZH-IL62 beschrieben. Aber auch die Bilder vom Cockpit der IL-62 sind da ebenfalls sehr hilfreich.
Die Anlage I-11 (strap-down-Methode) stammte aus sowjetischer Produktion und ihre Handhabung erforderte einige Übung und Geduld. Insbesondere die sogenannte „Aufrichtung“ der Kreiselplattform PG-1W-11, die aus 4 Rahmen und zwei mechanischen Kreiseln mit 3 Freiheitsgraden bestand und die Stabilisierung der Empfindlichkeitsachsen der 3 Beschleunigungsgeber DA-1 war nicht ganz unproblematisch und dauerte vor dem Flug schon mal locker 2 Stunden und dabei durfte das Flugzeug eben nicht erschüttert oder bewegt werden, sonst konnte man ggf. wieder von vorne beginnen. Da die Crew zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Flug war, übernahmen diese Aufgabe zunächst die dafür zuständigen Techniker und Ingenieure. Die Sensorgenauigkeit liegt bei einfachen Systemen i.d.R. bestenfalls bei 0,01°/h Kreiseldrift. Es gilt auch die Drehung der Erde um die Sonne (0,041 °/h) sowie die Erddrehung (15 °/h) zu messen bzw. zu kompensieren. Dazu muss dann noch die 84-Minuten Schuler-Periode kompensiert werden. Heute geschieht die Nachführung der Genauigkeit mittels GPS und man benutzt genauere Laser-Kreisel. Damals kam dafür die OMEGA Anlage ONS VII zur Hilfe, wenn man nicht mehr im Empfangsbereich von VOR oder DME war. Die Navigatoren an Bord hatten hier ihre anspruchsvolle Aufgabe und Berechtigung. Das war von den Piloten einfach noch nicht mit zu erledigen. Gute Navigatoren waren somit Gold wert, wenn es 4, 5 Stunden oder mehr über unwegsames Gelände ohne jedes Funkfeuer ging, wie über den Nordatlantik. Hinzu kamen dann doch heftige Windeinflüsse und Turbulenzen und damit zusätzliche Drift. Es folgt eine kurze Zusammenfassung der verschieden Navigationsanlagen, mit denen die Flugzeuge der INTERFLUG russischer Bauart ausgerüstet waren. Weitere Ausführungen zu den Atlantikflügen der IL-62 gibt es auch vom ehemaligen Oberinstrukteur für Navigatoren der IL-62, Herrn Reiner Scope. „In der Anfangszeit unserer Atlantikfliegerei navigierten wir dort mit LORAN A Hyperbelnavigation, einer manuellen Laufzeitdifferenzmessung der ausgestrahlten Funksignale und die Suche der dazu passenden Hyperbelstandlinie auf einer großen Karte. Eine zweite Messung führte zu einer zweiten Standlinie und damit zu einem Standort. Eine aufregende Arbeit, die aber ein gutes Grundlagenwissen für OMEGA lieferte. (siehe auch: IF.biz, Technik, Leibecher, Navigation, mein Beitrag dort zur Atlantiknavigation) .
Viel Spaß bei dem Studium dieser Lehrschrift. (Für Korrekturen aller Art bin ich zugänglich.) |